Humorkritik | Februar 2017

Februar 2017

»And don’t even think of writing something stupid like ›what a lucky break a Trump presidency is for comedians, the jokes write themselves‹. No, no, no. Shut up! Jokes don’t write themselves. Jews write jokes. And they are scared shitless.«
Samantha Bee

Öde Worte

»Öde Orte« gibt es in deutschen Landen zuhauf. Das weiß man aus der gleichnamigen, zwischen 1998 und 2003 von Jürgen Roth und Rayk Wieland bei Reclam Leipzig edierten Trilogie von »ausgesuchten Stadtkritiken«, in der kompetente Ortskenner die jeweiligen Ödnisstätten satirisch abhandelten und, weil sie das sehr erfolgreich taten, Nachahmer wachriefen, welche die Qualität des Originals freilich nicht erreichten. So auch der kommerziell erfolgreiche Vielpublizist Dietmar Bittrich (»Gummibärchen-Orakel«): Daß der in seinem neuen Werk »99 deutsche Orte, die man knicken kann« (rororo) einen Bogen um wirklich knickenswerte Orte wie Wolfsburg oder Eisenhüttenstadt schlägt und statt dessen bekannte und beliebte Destinationen wie Rothenburg ob der Tauber, das Rheintal, Köln oder Hamburg aufsucht, mag verkaufsfördernden Überlegungen geschuldet sein, steht ihm aber ebenso frei wie die Entscheidung, auch den Englischen Garten in München zu verdammen, weil dort angeblich ständig Mountainbiker und ihre »besten Sparringspartner«, Hunde nämlich, zusammenstoßen, weshalb diesem Harmloshumor zufolge ein »Best of der Kollisionen« zu »den meistgesehenen Jahresend-Specials der lokalen Web-Reporter« gehören soll.

Auch ist es Bittrichs Recht, sich antiintellektuell zu gerieren und Museumsbesuche, ja überhaupt alles, was mit Bildung zu tun hat, zu verunglimpfen: »Was tatterige Kulturkommissionen zum Welterbe ausrufen, ist erst recht hundertprozentig verzichtbar.« Ca. 83prozentig verzichtbar scheint mir hingegen Bittrichs merkwürdiges Faible für Toiletten, das sich in rätselhaften Scherzen manifestiert: »Die Wartburg-Toiletten sind als die stinkendsten der Welt in die Nachhaltigkeits-Liste der Unesco aufgenommen worden.« Was genausowenig Sinn und Komik hat wie z.B. eine »vollsynthetische, dafür aber maschinenwaschbare Kirschtorte im Glottertal«. Es drängt sich der unangenehme Verdacht auf, Bittrich wolle bei seinem Publikum statt eines »gewissen frechen Selbstbewußtseins« lediglich eine gewisse bequeme Ignoranz fördern. Und rein gar nicht goutieren kann ich die ständigen flauen Witzeleien im luftleeren Raum, so wie wenn der Autor angesichts des Brandenburger Tores spaßt: »Westlich des Tores liegt der Platz des 18. März, benannt nach dem Tag, an dem Christian Wulff 2012 als Bundespräsident zurücktrat. Hier beginnt die Straße des 17. Juni, so getauft zum Gedenken an den Tag der Unabhängigkeit Islands.«

Ich habe »99 Orte, die man knicken kann« ungefähr 99 Mal weglegen wollen. Für den törichten Bittrich indes gilt: Dumm knickt gut.

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg