Humorkritik | Mai 2016
Mai 2016
»Man verzeihe mir, daß ich im flipprigen Tone eine Streitfrage behandle, von deren Lösung das Wohl Englands und daher vielleicht mittelbar das Wohl der Welt abhängt. Aber eben je wichtiger ein Gegenstand ist, desto lustiger muß man ihn behandeln. Das wissen die Engländer, und daher bietet ihr Parlament auch ein heiteres Schauspiel des unbefangensten Witzes und der witzigsten Unbefangenheit, bei den ernstesten Debatten.«
Heinrich Heine, »Englische Fragmente«
Neue Sparte
In der Zeitung las ich, wie ein deutscher Kulturjournalist einen britischen Kollegen beschimpfte, einen Herrn namens Quentin Letts; und zwar als »reaktionären Clown-Kritiker der Daily Mail«. Das amüsierte mich. Nicht, weil ich Letts kennen würde, es ihm gönnen würde, oder weil mir die betreffende Zeitung so lustig ihre anti-reaktionäre Haltung aufdrängt; sondern ihrer erstaunlichen Wortschöpfung wegen: »Clown-Kritiker«!
Was für eine anmutige Vorstellung, sie säßen jede Woche in einem anderen Zirkuszelt, die Clown-Kritiker: Mißmutig in ihren Presse-Rängen, auffällig gähnend und notierend, mäkelten sie an der Länge der Clownsschuhe herum, spöttelten über unglaubwürdig kleine Autos (»Wenn zehn Clowns da rausklettern würden, okay – aber fünfzehn? Das ist doch lächerlich!«) und rezensierten geknotete Luftballontiere (»Hund: ausreichend; Giraffe: mangelhaft; Krake: eine Katastrophe!«). Später betränken sie sich gemeinsam, schrieben griesgrämig ihre Zeitungsspalten voll und träumten doch heimlich nur davon, einmal selbst in der Manege zu stehen. Wer weiß, vielleicht sattle ich auf meine alten Tage selber noch um: von der Humor- zur Clownkritik. Wär’ das ein Leben!