Humorkritik | Dezember 2016
Dezember 2016
»… ob nicht alle Satire bis zu einem gewissen Grad die stillschweigende Billigung des Gegenstandes beinhaltet, auf den sie abzielt. Ist nicht Orwells eigenes Buch 1984 in dem Land, das weltweit über die meisten Überwachungskameras pro Einwohner verfügt, fast zu einem offiziellen Text geworden? Und außerhalb von England staunte der österreichische Autor Thomas Bernhard, ebenfalls ein grimmiger Kritiker seines Landes, darüber, wie gierig die Leute seine Kritik aufsogen und wie laut sie ihm dafür applaudierten, daß er sie beschimpfte.«
Tim Parks
Zwanglose Weite
Draufloszuphantasieren oder drastische Übertreibungen zu schaffen fällt der Literatur leichter als dem Film; muß doch dieser für derlei Effekte eine riesige Trickmaschinerie aufbieten oder, schlimmer, gekünstelt-verzwungenes Schauspiel. Reale Landschaften oder gewöhnliche Personen einzufangen stellt dagegen für die Kamera die leichteste Übung dar, während es viel Aufwand verlangt, dasselbe mit dem geschriebenen Wort zu erreichen. Weshalb ich den (komischen) Film eben da in seinem Element sehe, wo er mit ganz geringer Übertreibung und Künstlichkeit agiert; wo die satirische Überhöhung sozusagen tieffliegt, hauchdünn über dem Boden der Realität.
Ein gut verdauliches Beispiel ist der Kinofilm »Welcome to Norway« (Regie: Rune Denstad Langlo). Vor der beiläufig eingefangenen Kulisse nord-norwegischer Weite findet ein Kammerspiel statt: Protagonist Primus will haufenweise Flüchtlinge einquartieren, aus dem edlen Beweggrund, dafür Staatsgeld einzustreichen; Protagonistin Line erteilt den Ankömmlingen Sprachunterricht, aus dem edlen Motiv, Primus ins Bett zu kriegen; Flüchtlinge wiederum geben solchen Wohltätern gegenüber gern mal den Moralapostel. Derart ungekünstelt wird das vorgetragen, daß sich Ankündigungstexte schwertun mit der Gattungsbezeichnung: »Komödie/Drama« heißt es da. Das bedeutet: Lachzwang gibt es keinen. Und desto lieber hab ich mich 95 Minuten lang amüsiert.