Humorkritik | September 2015

September 2015

»Dies ist mein wichtigstes Wort an euch: Freude! Seid keine traurigen Menschen.«
Jorge Mario Bergoglio

Aus New Yorker Meisterhand

Unheilbar ist sie, die Liebe der deutschen Pressemacher zum New Yorker; seit Jahrzehnten gibt es kein neues Printprodukt, das nicht behauptet, sich wenigstens ein bißchen an dem amerikanischen Intelligenzblatt zu orientieren. Diese Liebe basiert natürlich, wie stets in Liebesdingen, auf Projektion, Hörensagen und Irrtum, und betrifft so gut wie nie die heitere Seite des Magazins: die traditionsreichen Cartoons. Matthew Diffee ist einer der Zeichner, die seit Jahren für den New Yorker arbeiten und vierzehntägig mit gut vierzig Kollegen um die wenigen Cartoonplätze im Magazin konkurrieren. Die Auswahl, die Cartoon-Redakteur Bob Mankoff trifft, ist dabei so gnadenlos im Urteil wie undurchschaubar in ihren Kritierien; Diffee und seine Kollegen rächten sich vor ein paar Jahren, indem sie die abgelehnten Zeichnungen in dem Buch (und Bestseller) »The Rejection Collection« versammelten. Nun ist der Texaner Diffee nach fünfzehn Jahren mit seinem ersten eigenen Buch hervorgetreten: »Hand-drawn Jokes for Smart Attractive People« (Scribner), einem wunderschön gemachten Coffee Table Book, das handverlesene Witze lose unter Rubriken wie Essen, Sex und Eskimos sortiert. Diffee ist ein Edelhumorist, durchaus konservativ in der Wahl seiner Genres – Arbeitsplatz, Ehebett, Piratenschiff – wie im meisterhaft geführten Strich; ihre spezifische Komik beziehen die besten seiner Cartoons aus der Kollision ihrer kunstvollen, schicken Optik mit ihren sehr menschlichen Themen. Sehr lachte ich etwa über die romantisch an einer Felsenküste schmachtende Frauengestalt: »Night after night, she watches the sea, longing for her husband’s departure.« Auch das Bild der beiden liebevoll gezeichneten Großeltern, die sich eben fürs Bett zurechtmachen, lebt von diesem Kontrast: »These are my reading glasses. I need my sex glasses.« Die ständige Arbeit im Bereich der Universalkomik führt dann manchmal zu Banalitäten und Wohlvertrautem, etwa dem Hot-Dog-Verkäufer, der mit dem Spruch »now with 10% more dog!« wirbt; doch will ich dem smarten, attraktiven Diffee solche Mißgriffe verzeihen. Und werde fortfahren, den New Yorker gegen seine Liebhaber zu verteidigen.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg