Humorkritik | Januar 2015

Januar 2015

Unsere wohltemperierten Humoristen mit ihrem behaglichen Lächeln der Philister-Toleranz (die im Grunde Überhebung ist) haben sich leider von den dunklen Quellen allen Humors so weit entfernt, daß sie glauben, Humor sei identisch mit dem, was sie Optimismus nennen.
Otto Julius Bierbaum

Das Buch zur Sitcom

Was erwarten wir uns von einer Sitcom? In der Regel doch das: eine Handvoll Figuren, die sich bei ihrem Streben nach Glück selbst im Weg stehen. Geschichten von Aufbruch und Suche, von der Anpassung an neue Situationen, von errungenen Trophäen und dem Preis, der für sie bezahlt werden muß. Mit ein bißchen Glück tauchen wir auch noch in ungewöhnliche Milieus ein, haben mehr zu lachen, als wir erwarteten, und erkennen eine zugrundeliegende These bzw. ein Motiv, über das man aber nicht allzu lange nachdenken muß. Leichte Unterhaltung eben.

Mehr nicht, aber auch nicht weniger, will Nick Hornby mit all seinen Romanen. In seinem jüngsten, dem bei KiWi erschienenen »Miss Blackpool« (Originaltitel: »Funny Girl«), macht er das light entertainment selbst zum Sujet. Denn »Miss Blackpool« erzählt vom goldenen Zeitalter der britischen leichten Unterhaltung, der Fernsehsitcom der mittleren sechziger bis Mitte der siebziger Jahre. Der Zeit also, als noch die ganze Familie zusammen vor dem Fernsehgerät saß und das, was man am Vorabend gesehen hatte, am nächsten Tag themenbestimmend war; der Zeit, da es keine große Auswahl an Sendern gab und alle das Gleiche gesehen hatten.

Hornbys Protagonistin heißt Barbara, gewinnt zu Beginn der Handlung den Titel »Miss Blackpool«, gibt ihn aber umstandslos zurück, als sie feststellt, daß damit repräsentative Aufgaben verbunden sind. Lieber sagt sie ihrer Familie adieu und fährt nach London, nennt sich Sophie Straw und wird zum Star einer neuen BBC-Sitcom, in der sie, haha: Barbara heißt und aus Blackpool kommt. »Barbara (and Jim)« wird ein Triumph: Die beiden Autoren Tony und Bill treffen mit ihrer Geschichte um eine moderne Ehe zwischen einer Konservativen aus dem Norden und einem Mitarbeiter von Downing Street Nr. 10 unter dem Labour-Premier Harold Wilson genau ins Schwarze. Allerdings nicht bei jedem: Die Bartkrauler und Pfeifenraucher aus dem dritten Programm, deren Sendungen etwa »Sartre, Stockhausen und der Tod der Seele« heißen, goutieren diese eher flache Form des Amüsements gar nicht. Und auch die beiden Autoren stellen nach zwei erfolgreichen Staffeln fest, daß sie Unterschiedliches wollen: Während Tony zufrieden wäre, sein Leben möglichst ungestört weiterzuführen, fühlt sich Bill zu Höherem berufen, will Literatur und Theater machen und lieber Kunst für ein paar tausend Menschen als Unterhaltung für Millionen.

Weil sich Hornby in diesem Milieu auskennt und ein solider Handwerker ist, stimmt bei »Miss Blackpool« vieles: Es tauchen schöne Schauspieler auf, deren Wille zur Mitsprache Autoren und Produzenten in den Wahnsinn treibt, Senderverantwortliche, die ein gutes Drehbuch nicht von einem Teller Grütze unterscheiden können, und junge Magazinjournalistinnen, die Comedy über die falschen Entscheidungen beim Klamotteneinkauf machen wollen. Hornby streut etliche reale Figuren in seine Version des Swinging London ein, etwa Tom Sloan, den langjährigen Head of Light Entertainment der BBC, Lucille Ball und Keith Relf von den Yardbirds und reale Sitcoms wie »Till Death Us Do Part«, das ab 1966 zur erfolgreichsten jungen Comedy wird und im Buch den Ruhm von »Barbara (and Jim)« schnell verblassen läßt.

Das liest sich zügig weg, so wie sich eine halbstündige Sitcom weggucken läßt. Einzig ein strukturelles Problem bleibt: Während in einer Sitcom die Figuren nicht allzuviel dazulernen dürfen, weil sie am Ende einer Folge stets wieder bei der Ausgangssituation ankommen müssen, erwarten wir von Spielfilmen und Romanen, daß die Hauptfiguren reifen, wachsen, am Ende andere sind als zu Beginn. Das tut Barbara bei Hornby eher nicht. Und daß Hornby über lange Strecken seine Protagonistin verläßt, um die Geschichte der Autoren Tony und Bill zu erzählen, leuchtet zwar ein, weil sich an ihnen eben die unterschiedlichen Haltungen zum light entertainment schön veranschaulichen lassen; die Geschlossenheit der Erzählung aber stört es doch ein wenig.

So bleibt »Miss Blackpool« ein vergnügliches Buch, das die bunten sechziger Jahre in London treffgenau porträtiert. Ein Buch aber auch, über das man nach der letzten Seite nicht allzu lange nachdenken muß. Und mehr will es wohl auch nicht sein.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt