Humorkritik | Juli 2013

Juli 2013

Schaumschläger

In Friedrich Küppersbuschs TV-Satire »Tagesschaum« (dreimal wöchentlich im WDR bis zur Bundestagswahl) poppen ständig rund um den Moderator animierte Grafiken zu »Boioioing!«-Geräuschen auf – damit man weiß, daß es gerade lustig zugeht. Mehr muß man zu dieser Sendung eigentlich nicht wissen. Vielleicht noch dies: Küppersbusch sitzt müde in einem bemüht schäbigen Kellerstudio und spult Wortwitze wie »Peer Steinbrücks Inkontinenz-Team«, »das perfekte Sozi-Dinner«, die »volle Drohnung des Thomas de Maizière« und Barack Obamas neuen Wahlspruch »Yes, we scan« ab. Nichts gegen Kalauer, aber etwas weniger naheliegend und beliebig, nicht ganz so verbraucht und ein bißchen ambitionierter als Bild-Schlagzeilen oder Streiflicht-Bonmots sollten sie schon sein.

Man könnte »Tagesschaum« also ignorieren bzw. die Zeit geben, sich evtl. noch zu entwickeln – wenn sich nicht neuerdings jeden Monat das gleiche Spiel ergäbe: eine neue öffentlich-rechtliche Komiksendung, mehrere Kritiker, die deren Bräsigkeit zu Feinsinn erheben. Ich komme nicht umhin, mich zu fragen, woher diese Liebe des Feuilletons zum faden Scherz kommt. Im Juni war es Olli Dittrichs »Frühstücksfernsehen«, nun ist es der »Tagesschaum«, zu dem die Süddeutsche befindet: »Ruhig und unaufgeregt kommt die Show daher, angenehm selten auf den schneller Lacher aus« – als wäre Lachen eine durchdachte Entscheidung oder ein Wein, der erst noch atmen muß. Der Stern meint: »Was dabei herauskommt, ist feinsinniger bis brachialer Spott, aber auch Aufklärung im eigentlichen Sinne des Wortes« – weil der kleine Kontrollverlust des Lachens wohl nur gestattet ist, wenn er der Didaxe dient.

Wieso wollen die Herrschaften Kulturbetrachter ihren Witz stets ruhig, unaufgeregt, fein, belehrend, langsam? Damit sie genug Zeit haben, um in den Keller zu kommen? Weil echte Komik nur der brave Bildungsbürger schaffen kann (der sich aber dabei für einen gefährlichen Rebellen hält – Küppersbusch: »Hier ist der Schurkensender Ihres Vertrauens«)? Weil das Schmunzeln sich soviel besser anfühlt, wenn der Witz dem Restchen Bildung und Politinteresse schmeichelt, der einen vom Pöbel abhebt? Muß Satire wirklich ein gutes Gewissen schaffen? Und wieso verlangen Feuilletonisten vom komischen uneigentlichen Sprechen, was sie mit ihren ernsten eigentlichen Texten nicht erreichen: der Aufklärung zu dienen?

So recht weiß ich auf all das keine Antwort. Was ich aber sicher weiß: Nichts kann mir Cindy aus Marzahn sympathischer machen als solche Ansprüche an Komik. Und ich lache lieber schnell und schmutzig, und mache mir womöglich hinterher Gedanken, als mich langsam vorab abzusichern, ob mein Lachen statthaft ist.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick