Humorkritik | Januar 2013

Januar 2013

Er schon wieder

Eines schönen Sommertages im Jahre 2011 kommt der Führer A. Hitler, an Leib und Seele unversehrt, auf einer Berliner Brache zu sich – und legt als ironiefernster aller Hitler-Comedians eine gar nicht so wundersame Medialkarriere hin.

Die beste Idee des Romans von Timur Vermes (»Er ist wieder da«, Eichborn) ist es, den legendären Reichskanzler in die Berliner NPD-Zentrale zu schicken (»Sie sind eine einzige Schande für das deutsche Volk!«); die zweitbeste, ihn als Ich-Erzähler zu führen, denn wo Hitler filterlos auf Gegenwart trifft, hat das bald komische, bald gruselige, jedenfalls satirische Effekte: »Tatsächlich konnte ich beobachten, wie offenbar bei jenen türkischen Schülern meine Prinzipien als richtig erkannt und zu Direktiven umgesetzt worden waren. Den jungen Türken wurden ganz offensichtlich nur die einfachsten Sprachkenntnisse beigebracht … In Ermangelung eines ausreichenden Wortschatzes wurden zudem die meisten Sätze mit ausladenden Gesten ergänzt, eine regelrechte Zeichensprache wurde angewendet gemäß Vorstellungen, wie ich sie selbst entwickelt und gewünscht hatte. Zwar für die Ukraine, für das eroberte russische Gebiet, aber es war natürlich für jede andere beherrschte Bevölkerungsgruppe genauso angemessen.«

Abgesehen davon, daß die Gags, die Vermes mitnimmt, schon bei der Wehrmacht umgegangen sein dürften – »Waren Sie denn nie im Ausland?« »Aber sicher. Polen, Frankreich, Ungarn …« –, hat sein Vierhundert-Seiten-Roman aber das Problem, das jede parodistische Unternehmung à la longue hat: Man weiß irgendwann, wie es geht, und die erwartbar solide Satire auf den alltäglichen Hitlerrummel, an deren Ende der Gröfaz seine eigene Fernsehshow (und, versteht sich, politische Chancen) hat, nervt nur allzubald, vor allem in der Form.

Zwar gelingt es Vermes, seinen Erzähler wie den auferstandenen Gottseibeiuns klingen zu lassen (wenn auch mit Anteilen heutiger Dumpfrede zwischen »nachvollziehen« und »insofern«, von dem »Mein Kampf« noch wußte, wie man es richtig verwendet), kopiert aber leider auch die schlechte Führer-Angewohnheit des Monologisierens, verschlimmert um ein Name- und Factdropping, das den Erzähler beglaubigen soll, aber eher so klingt, als wolle Vermes die Tiefe seines Wissens mitteilen: Ja, der Reichswirtschaftsminister hieß Funk, der Chauffeur Kempka und Hitlers erster Leibarchitekt Troost. Wer das nicht weiß, mag’s als Fortbildung buchen, wem es bekannt oder wumpe ist, sich allerdings behelligt fühlen. »Insofern ist mir die Sache mit meiner Rückkehr auch einmal mehr vollkommen einleuchtend« (Hitler c/o Vermes).

Mir, alles in allem, nicht.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt