Humorkritik | November 2012

November 2012

Nicht ohne meinen Penis

Nur selten renommiere ich mit meinen Kenntnissen im Fach der Älteren Deutschen Philologie. Doch so treffend alle Vorurteile über diesen Forschungskosmos voller Mittelalter-Lesben, Rollenspielkäuze und verrückter Professoren auch sind, so strahlend erscheint mir das Genre der »Priapeia« am grauen Mediävistik-Firmament: eine Gattung, die sich, glaubt man dem Experten Hanns Fischer, durch »die zentrale, manchmal sogar personenhafte Rolle« des männlichen Genitals definiert. Was in der Moderne als Zeichentrick- oder Teenieklamotte (»Willie sein bester Freund«, »Harte Jungs«) seinen Ausdruck findet, hat einen Vorläufer in der sechshundert Jahre alten Groteske »Der túrney von dem czers« oder eingehochdeutscht: »Das Nonnenturnier«.

Das zentrale Thema dieser Mär ist die Verweiblichung der späten höfischen Gesellschaft, deren Mitglieder ihre Männlichkeit immer seltener als Edelmänner im Turnier beweisen und statt dessen den fatalen Lastern der Wollust und der Völlerei erliegen; ein Umstand, der den protagonistischen Ritter zur Selbstkastration zwingt. Sein abgetrennter zagel geht nunmehr selbst auf âventiure und sucht schließlich den Tod in einem Kloster, wo eine Gruppe Nonnen ihn (scham-)haarscharf zertrampelt:

»des hetten sie k[l]ein wargenumen,
biß das sie über in [den zagel] kwomen.
sie schrien alle: ›was ist das?‹
doch sahen sie schiere, was es was.«

Der amputierte Penis weckt die Begierden der Ordensschwestern; ein Streit entbrennt, wer den Pimmel mit aufs Zimmer nehmen darf. Die Äbtissin setzt zur Klärung dieser Frage ein Turnier an, in dessen Folge die Nonnen auf sämtliche Werte des Christentums pfeifen und einen Konflikt entfachen, der beinahe zur Auslöschung des gesamten Klosters führt. Was will uns das sagen? Die Maskulinisierung der Frau und die Femininisierung des Mannes führt ins Verderben, liebe Metros, Tunten und Transen. Deswegen: Zagel, bleib bei deiner Leiste!

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg