Humorkritik | Februar 2012

Februar 2012

Kauziger Kafka

Mit der These, Kafka sei auch ein komischer Autor, kann man schon lange kein Furore mehr machen. Sattsam bekannt ist die Anekdote, Kafka habe beim Vorlesen des ersten Kapitels von »Der Prozeß« laut lachen müssen; und daß ein Autorenduo ein hübsch doppeldeutig »Kafkas komische Seiten« (Steidl) betiteltes Werk vorlegt, ist da nur konsequent. Astrid Dehe und Achim Engstler beschäftigen sich weniger mit den Buchseiten, die Kafka mit Komischem betextet hat, als vielmehr mit den komischen Seiten seines Charakters.

Die ausgesucht originellen Belege, die Kafkas kauziges Wesen illustrieren, fördern zumindest mir bislang nicht bekanntes Amüsantes zu Tage. So muß der Anblick des Dichters, der in seinem »Rudi« benamsten Ruderboot die Moldau hinabtrieb, auf Augenzeugen einen skurrilen Reiz ausgeübt haben: »Es hätte so ausgesehn, wie vor dem Jüngsten Gericht. Es wäre wie jener Augenblick gewesen, da die Sargdeckel schon abgehoben waren, die Toten aber noch stillagen«, referiert Kafka den Eindruck, den er bei Zeitgenossen hinterließ, in einem Brief an Milena Jesenská.

Seiner anderen großen Korrespondenz-Liebe, Felice Bauer, eröffnet er, er sei »als großer Lacher bekannt, doch war ich in dieser Hinsicht viel närrischer als jetzt«. Und schildert als Beweis den zwanghaften Lachanfall, der ihn überkam, als er im Rahmen einer kleinen Feier vom Präsidenten der Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt befördert wurde und auf dessen »kaiserlich schematische, von schweren Brusttönen begleitete, ganz und gar sinnlose und unbegründete Rede« hin ein »lautes, rücksichtsloses Lachen« anstimmte, »wie es in dieser Herzlichkeit nur Volksschülern in ihren Schulbänken gegeben ist«.

Es sind weniger derartige Erlebnisse, die witzig wirken, als der Stil, in dem Kafka sie beschreibt: die ziselierte Sprache des so schadenfrohen wie selbstironischen Tagebuch- und Briefschreibers, der z.B. eine obskure »Lichtluftbade«-Kur im Harz unternimmt und angesichts ihn umgebender flatulierender Nudisten trocken notiert: »Alte Herren, die nackt über Heuhaufen springen, gefallen mir nicht«, der Schweizerisch als »mit Blei ausgegossenes Deutsch« charakterisiert, »Ehe und Märtyrertod« »auf ähnlicher Erkenntnisstufe« ansiedelt und Milena fragt: »Wissen Sie denn nicht, daß nur die Dicken vertrauenswürdig sind? Nur in diesen starkwandigen Gefäßen wird alles zuendegekocht, nur diese Kapitalisten des Luftraums sind, soweit es bei den Menschen möglich ist, geschützt vor Sorgen und Wahnsinn.«

Und der sogar richtige Anekdoten kolportiert: »Ein Wunderrabbi, der öfters Hallucinationen hatte, versenkte bei einer solchen Unterhaltung plötzlich sein Gesicht in die auf den Tisch gelegten Arme und verblieb so unter allgemeinem Schweigen 3 Stunden. Als er erwachte, weinte er und trug einen ganz neuen lustigen militärischen Marsch vor.« Auch das ist ganz lustig. Abmarsch.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg