Humorkritik | Oktober 2011

Oktober 2011

Pronto! Subito! Avanti!

Die unbeugsame Kommunistin Gisela Elsner wurde 1964 mit ihrem satirischen Roman »Die Riesenzwerge« bekannt, ja partiell berühmt. 1992 brachte sie sich um. Wenige Wochen zuvor hatte Rowohlt all ihre Bücher verramscht. Seit knapp zehn Jahren nimmt sich der stark zu preisende Verbrecher Verlag, der lediglich bei den bisweilen saumäßigen Lektoraten und Korrektoraten ein paar Schippen und Scheine drauflegen sollte, des Werkes von Elsner an. Nun sind zwei Bände »Kritische Schriften« erschienen – »Flüche einer Verfluchten« und »Im literarischen Ghetto« –, insgesamt gut achthundert Seiten mit teils zuvor nie publizierten Essays, Rezensionen, Radiofeatures, Interviews und Interventionen.

»Satiren … galten wie Bordellbesuch ausschließlich als Männersache«, sagte Elsner mal – und: »Ich bin eine schmutzige Satirikerin.« Warum man ihr Zeile für Zeile recht geben will und muß, demonstriere ich gerne kurz an ihrem kleinen Aufsatz über meinen Lieblingsgockel und -plapperonkel Thomas »Ironie« Mann, für den Elsner soviel übrig hatte wie der Veganer für einen Eimer fetten Pökelfleisches.

»Zwar wird sein Stil als bewundernswert gerühmt, doch ist diese Bewunderung, die man durchaus teilen könnte, insofern subaltern, als Thomas Mann ohnehin der größte Bewunderer des Thomas Mannschen Stils sein dürfte«, führt sie zugunsten des Lübecker Buchstabenzuckerbäckers ins Feld und fährt fort: »Strittige Themen hat er nie behandelt. Er hat vielmehr schön gelungene und im bösen Sinne des Wortes: köstliche, doch verhältnismäßig folgenlose Auftritte interessanter Charaktere inszeniert.«

So verteilt man voller Grandezza eine Watsch’n, daß es raucht, und mit Elsner möchten wir Thomas Mann dito zugute halten, »daß es nicht nur die Feigen, sondern auch die Einfältigen sind, die sich in die Unverbindlichkeit der ironischen Distanz retten«. Kurzum: »Der Ärger mit dem Dienstpersonal hat ihn mehr bekümmert als die Notlage seines Bruders Heinrich, den er mit beständiger Halbherzigkeit unterstützte. Brecht hat ihn unter anderem ein Reptil genannt. Mit einem Wort: Im Gegensatz zu seinen Romanfiguren zählt Thomas Mann wohl kaum zu denen, die man gerne kennengelernt hätte.«

Gisela Elsner aber? Kann man wenigstens wiederlesen – und zwar subito und pronto! Avanti!

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Aaaaah, Bestsellerautor Maxim Leo!

In Ihrem neuen Roman »Wir werden jung sein« beschäftigen Sie sich mit der These, dass es in nicht allzu ferner Zukunft möglich sein wird, das maximale Lebensalter von Menschen mittels neuer Medikamente auf 120, 150 oder sogar 200 Jahre zu verlängern. Grundlage sind die Erkenntnisse aus der sogenannten Longevity-Forschung, mit denen modernen Frankensteins bereits das Kunststück gelang, das Leben von Versuchsmäusen beträchtlich zu verlängern.

So verlockend der Gedanke auch ist, das Finale der Fußballweltmeisterschaft 2086 bei bester Gesundheit von der heimischen Couch aus zu verfolgen und sich danach im Schaukelstuhl gemütlich das 196. Studioalbum der Rolling Stones anzuhören – wer möchte denn bitte in einer Welt leben, in der das Gerangel zwischen Joe Biden und Donald Trump noch ein ganzes Jahrhundert so weitergeht, der Papst bis zum Jüngsten Gericht durchregiert und Wladimir Putin bei seiner Kolonisierung auf andere Planeten zurückgreifen muss? Eines will man angesichts Ihrer Prognose, dass es bis zum medizinischen Durchbruch »im besten Fall noch 10 und im schlimmsten 50 Jahre dauert«, ganz bestimmt nicht: Ihren dystopischen Horrorschinken lesen!

Brennt dann doch lieber an beiden Enden und erlischt mit Stil: Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt