Humorkritik | November 2011

November 2011

Starker Neuzugang

Lustige Fußballer sind kaum noch auszumachen. Ließen sich mit dem Kneipenwitz und der proletarischen Renitenz früherer Spielergenerationen fuderweise Bücher und 11Freunde-Sonderhefte füllen, gilt im heutigen kapitalisierten und PR-durchseuchten Fußballgeschäft schon eine konformistische Trantüte wie Philipp Lahm als Störfall. Und das auch nur, nachdem die Bild-Zeitung aus seinem Quatschbuch zielsicher das gerade noch vorhandene Quentchen eigenständiger Meinung destillierte. Da muß man schon länger suchen, um einen wie Moritz Volz zu entdecken (TITANIC 7/2007).

Gibt es wenigstens unter den Trainern, die noch etwas mehr öffentlichen Spielraum für ihre Egos besitzen, komische Talente? Ein rascher Blick durch die Bundesliga macht wenig Hoffnung: Branchenprimus Jupp Heynckes dürfte exakt dem Klischee des drögen Deutschen entsprechen – für ein wenig Spaß ist nur dann noch Platz, wenn es nicht gerade ernst zugehen muß, was leider fast immer der Fall ist.

Felix Magaths immergleicher Sarkasmus und die Koketterie mit seiner inhumanen Spielerführung nerven. Typen wie Jürgen Klopp oder Thomas Tuchel versprühen exakt den Witz, mit dem man Motivationsseminare auflockert. Und Ralf Rangnick hat sich in einem Job ins Burnout geschuftet, in dem noch vor wenigen Jahren Vollalkoholiker wie Klaus Toppmöller (»Als ich von meiner Entlassung erfuhr, bin ich erst mal zur Tankstelle und habe mir eine Flasche Schnaps besorgt«) und Größenwahnsinnige wie Peter Neururer (»Wenn es nach Kompetenz ginge, würde ich Real Madrid trainieren«), der auch schon mal mit Porsche und Badelatschen beim Arbeitsamt vorfuhr, regelmäßig Anstellung fanden.

Doch einen hoffnungsvollen Neuzugang gibt es: Ståle Solbakken. Der Norweger war schon mal acht Minuten tot, hat deswegen einen Herzschrittmacher, darüber hinaus ein wohl für Bundesligafußballer sehr forderndes Spielkonzept, weswegen es rund um den 1. FC Köln ellenlange Diskussionen und auch mal schwere Niederlagen gibt; und schließlich eine Glatze, die seine expressive, teils recht ulkige Mimik hervorhebt.

Obwohl er mit der deutschen Sprache noch manche Probleme hat, verpaßt er kaum eine Gelegenheit, auch mal selbstironischen Spaß zu treiben. Nach einem aufregenden 4:3 in Hamburg teilte er mit: »Das war kein Spiel für einen Trainer mit einem Herzschrittmacher.« Auf die Frage, ob es ein Vorteil sei, daß seine Frau mittlerweile in Köln wohne: »Sie versteht das Konzept.« Als einer der Kölner Kicker sich in Polen über geringe Einsatzzeiten beschwerte: »Ich habe ihm gesagt, daß er im Jahr 2011 die Kritik seiner Frau erzählen kann, aber nicht der Lech-Walesa-Zeitung oder wem auch immer. Übers Internet landet das in einer Stunde in Köln – das muß er wissen.«

Zugegeben, das ist noch nicht meisterlich, aber im Gegensatz zu seinen Kollegen, die mittlerweile tatsächlich zu glauben scheinen, existentiell wichtige Arbeit zu leisten, besitzt Solbakken neben einem Willen zum Witz die nötige Distanz zu seinem Tun. Ich würde mich freuen, wenn er der Liga noch eine Weile erhalten bliebe.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt