Humorkritik | Mai 2011

Mai 2011

Immer feste druff

Warum das Feuilleton Zack Snyders Fantasy-Groteske »Sucker Punch« so ungnädig behandelt und nur mit spitzen Fingern angefaßt hat, will mir partout nicht einleuchten. Natürlich, der Film ist Kitsch und Camp in jeder Hinsicht – ein dunkles Märchen samt bösem Stiefvater, teuflischem Arzt und reiner Heldin, die sich durch die emanzipatorische Kraft der Phantasie aus der Hölle der Realität befreit, und das, ähnlich wie in »Inception«, gleich in mehreren verwirrenden Wirklichkeiten auf einmal. Daß die Filmkritik aber hier plötzlich Folterinstrumente anlegt, die sie bei weitaus mainstreamigeren Produktionen gnädig in der Schublade läßt, ist selbst schon komisch: Gar nicht mehr beruhigen konnte sich der Rezensent von »Spiegel online«, der in tantenhafter Garstigkeit verkündete: »Wer das für einen genialischen Wurf hält, läßt sich auch eine Kloschüssel als Füllhorn andrehen.« Genie kontra Toilette – wenn jemand in solchen Extremen argumentieren muß, stimmt meist schon etwas am Argument nicht, und es ist einigermaßen erheiternd, daß ein Kritiker, der einem Film »unappetitliches Pathos« vorwirft, selbst zum verbalen Großkaliber greifen muß («Elend«, »Katastrophe«, »Debakel«).

Es stimmt, »Sucker Punch« ist ein im Schulhofsinn »krasser« Film, berechnend geschmacklos, ein Fest für Geeks – die Stereotypien des Hollywoodkinos überbelichtend, eine filmische Karikatur. Und eben doch hintersinnig: Snyder schwelgt in bizarren Phantasiewelten, nur um elementare Bestandteile der Handlung unsichtbar zu machen. Die Flucht der Heldin wie auch ihre aufreizenden Tänze, die ihre Wächter ablenken, werden nicht gezeigt, das Wesentliche bleibt für den Cineasten unsichtbar. Einen Geniestreich muß man »Sucker Punch« nicht nennen; wenn aber seine Kritiker gleich schrill das Wahre, Gute, Schöne und all die anderenn Abgötter traditioneller Ästhetik anrufen müssen, scheint er doch etwas richtig gemacht zu haben. Sehen Sie ihn sich an – aber achten Sie auf Ihre Deckung.

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
18.04.2024 Berlin, Heimathafen Neukölln Max Goldt
18.04.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt