Humorkritik | November 2010
November 2010
Mißverständnis II: Gainsbourg
Eigentlich war es ja nicht anders zu erwarten: Biopics sind – vor allem wenn es sich um die Biographien von Popmusikern handelt – das dümmste Genre überhaupt. Ein ungeordnetes Leben wird auf eine konventionelle Geschichte zurechtgestutzt, in der stumpf die üblichen Wendepunkte der Karriere und des Liebeslebens abgehakt werden, und Schauspieler strampeln sich ganz ernsthaft dabei ab, den aus sämtlichen medialen Kanälen bekannten Personen möglichst ähnlich zu sein und schlimmstenfalls sogar deren Gesang zu imitieren. Außer dem erfreulichen Dylanfilm »I’m Not There« von Todd Haynes fällt mir kein Film ein, bei dem auch nur versucht wurde, die dem Genre immanenten Idiotien zu vermeiden.
Aber der Regisseur des jetzt in den Kinos anlaufenden »Gainsbourg« ist immerhin ein Mann, von dem man einiges erwarten durfte, handelt es sich doch um Joann Sfar. Sfar hat entschieden alberne und dabei sympathische Serien für Kinder gezeichnet und geschrieben (»Sardine«, »Desmodus«), mit Lewis Trondheim die maßlos ausufernde parodistische Fantasywelt des »Donjon« erfunden und sich für erwachsene Leser in einem unverwechselbaren Krakel- und Erzählstil an autobiographische, historische und mythologische Stoffe gewagt. Aber was macht er als Regisseur?
Nicht etwa einen komischen, verspielten, persönlichen Trickfilm über Serge Gainsbourg, nein, er macht genau den gleichen Murks wie alle anderen, einen langweiligen und völlig überflüssigen Realfilm. Zu Beginn hatte ich noch Hoffnung, zeigt die Anfangsszene doch Gainsbourg als Kind mit einem Mädchen am Strand. »Darf ich meine Hand in deine legen?« fragt er. »Nein, du bist zu häßlich«, entgegnet sie und geht. Und der kleine Serge steckt sich eine Zigarette an. Es folgt ein hübsch animierter Vorspann mit einer stets rauchenden Gainsbourgkarikatur am und im Meer – und das war‘s dann auch schon mit Komik und überraschenden Einfällen.
Der Rest ist eingedampfte und nach-gekasperte Biographie mit traurigen Gainsbourg-, Brigitte-Bardot- und Jane-Birkin-Imitationsversuchen, die jenen Zuschauern, denen an Gainsbourg liegt, nichts Neues zu erzählen weiß und sie musikalisch mit mittelmäßigen Coverversionen abspeist. Als Fremdkörper geistert eine lebensgroße bemannte Gainsbourgpuppe aus Pappmaché durch die Biopic-Ödnis und soll eine Art Abspaltung des Gainsbourgschen Ichs darstellen. Für komische Brechungen sorgt sie leider nicht, höchstens für Befremden, und erinnert unfreiwillig daran, wie viel besser das alles hätte werden können – wenn man sich etwa getraut hätte, die ganze Geschichte mit solchen Pappfiguren zu erzählen.