Humorkritik | Juni 2010
Juni 2010
Lachender Hitler
Lachen über Hitler, dieses interessante Problem habe ich hier schon bisweilen abgehandelt. Aber wer hat sich jemals Gedanken darüber gemacht, wie das war, mit ihm zu lachen? Mit ihm um sein Leben lachen zu müssen und gleichzeitig über ihn lachen zu können? Umso verblüffter war ich, als mir das im Berliner Berenberg-Verlag erschienene Buch eines gewissen Eugeni Xammar mit dem rätselhaften Titel »Das Schlangenei« in die Hände kam.
Der katalanische Reporter (1888–1973) kam 1922 als Korrespondent der Tageszeitung La Veu de Catalunya nach Berlin – das »Schlangenei« ist eine Auswahl seiner Berichte aus dem Deutschland der Inflationsjahre, die hier erstmals in deutscher Übersetzung zugänglich sind. Im November 1923 ist er in München, um Herrn Hitler zu interviewen. Xammars Urteil über den jungen, aufstrebenden Politiker: »Der dümmste Mensch, den wir jemals das Vergnügen hatten kennenzulernen. Ein Dummkopf voller Tatendrang, Vitalität und Energie, ein maßloser, nicht zu bremsender Dummkopf. Ein gewaltiger, großartiger Dummkopf, der zu einer glanzvollen Karriere berufen ist (wovon er noch fester überzeugt ist, als wir es sind).« Die Erkenntnis, die hierzulande bis zum heutigen Tag umstritten ist, stellt sich bei Xammar auf den ersten Blick ein – und kostet ihn prompt den Job. Aber nicht nur über Hitler lacht Xammar, er lacht auch mit ihm. Jovial teilt ihm der Führer mit, die Spanier seien von der ausländerfeindlichen Stimmung in München ausgenommen, er, Xammar, brauche also keine Angst zu haben, verprügelt zu werden. Xammar: »Hitler lacht, ich ebenfalls, allerdings nicht ganz so aus vollem Herzen wie er.«
Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!
