Humorkritik | April 2010

April 2010

N. N. ist n. l.

Heureka!, mag der Schriftsteller, Bachmannpreisträger und Hamburger Poetikprofessor Wolfgang Hegewald ausgerufen haben, als er auf den Namen des Helden seines Romans »Fegefeuernachmittag« (Matthes & Seitz) gekommen war: Nathan Niedlich. Den Namen kann man nämlich auf eine ungemein hintergründige Weise abbrevieren; und so hat es der Leser, wenn er es denn durchhält, auf 250 Seiten mit einer hochallegorischen Hauptfigur namens N. N. zu tun. Die sorgt nicht nur für poetologischen Zündstoff: »Nathan Niedlich (denn kein anderer verbirgt sich hinter dem auf dem Cover abgedruckten Pseudonym W. H., das zu wählen mir meine Anwälte dringend geraten haben)«, sondern erzählt auch einen Schlüsselroman bzw. schießt, lt. rundweg begeisterter FAZ, »einen mit Ironie und Sprachwitz gespickten Pfeil in den literarischen Betrieb ab«.

 

Darin ist N. N. natürlich erst einmal W. H., aber eben auch die erfolglose Schriftsteller-randexistenz per se, die sich, weil nach dem Bachmannpreis und der Villa Massimo nicht mehr viel passiert ist, seit über zwanzig Jahren durch ein weitgehend anerkennungsfreies Dozenten- und Autorenleben hangelt, begleitet von Erinnerungen an Kindheit und Studium in der naturgemäß lächerlichen Ostzone – »unter der Kuppel eines lichtlosen Himmels zeterten und kreischten die Parteitagspapageien, schmucklos und kaum zu unterscheiden an ihrem ewig anthrazitfarbenen Gefieder« – und, später, allerhand prominenten Angestellten des gesamtdeutschen Literaturbetriebs; da ist Lesevergnügen vom muntersten natürlich garantiert. In den Worten der FAZ: »Es ist ein gelungenes Versteckspiel mit einigen illustren Figuren der deutschen literarischen Szene, das zu entschlüsseln auch für Außenstehende eine Freude ist. Köstlich, wie etwa aus Sigrid Löffler Edda Gabler wird, die weichhändige Großkritikerin, deren Gedankengänge zuweilen nur in den ruckhaften Bewegungen ihres germanisch-blonden Haarhelms nachzuvollziehen sind. Großartig auch, wie pointiert Hegewald immer wieder die Absurditäten des Betriebs aufspießt« – 

 

lassen Sie es mich so sagen: »Fegefeuernachmittag« von Wolfgang Hegewald ist genauso wie die Rezension in der Frankfurter Allgemeinen: nämlich auf eine kaum glaubliche Weise vorgestrig, kathederhaft und (wenn das Wort aus dem Spiegel-Fundus mal erlaubt ist) pomadig. Nicht nur geht einem das ständige N. N. auf die Nerven, auch kann der Professor das subtextuelle Zwinkern nicht lassen, nennt den kleinen Bruder des Erzählers gleich eingangs »Roman« und läßt die Mutter »eine geborene Schreiber« sein – die Rechnung, derlei trüb allegorisierende Gags würden allein durch ihre Durchschaubarkeit schon als Dekonstruktion oder wenigstens höhere Ironie durchgehen, geht aber gar nicht auf. Denn unter keinen Umständen der Welt, und seien sie noch so postmodern, ist ein Name wie »Edda Gabler« lustig; und schon gar nicht so lustig wie der sagenhaft korrupte Satz aus dem Klappentext: »Die heiter-tragische Geschichte Nathan Niedlichs, eines deutsch-deutschen Schriftstellers, dem der erfolgreiche Durchbruch nicht gelingen will.«

 

Und der erfolglose, halten zu Gnaden, halt auch nicht.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt