Humorkritik | Juni 2009

Juni 2009

Humor für Menschen ohne Humor

Zwischen Scherz und Schmerz liegt nur ein Buchstabe, und nach nur unwesentlich mehr Text tut auch die von Oliver Kalkofe vorgetragene Witzesammlung Fips Asmussens nur noch weh: Die CD »Kalkofe liest Asmussen« (Turbine) ist nicht nur »das perfekte Geschenk für Leute, die man haßt« (Eigenwerbung), sondern auch ein interessantes Lehrstück über Komik. Wie sehr ist sie doch von der Situation abhängig, in der sie stattfindet! Wer schon einmal ein beliebiges Witzebuch still von vorne bis hinten durchgelesen hat, ahnt es; man muß sie aber vorgelesen gehört haben, um die ganze Katastrophe von Asmussens »Lachen ist gesund«-Witzen zu erfassen, deren Personal sich vornehmlich aus Wachtmeistern, fülligen Professoren, Ladys und ihren Hausmädchen, blonden Monis, feurigen Zahnärzten (»Paß auf, daß er dir keine Füllung macht!«), Papageien und Onkel Herbert respektive »Herrn Rösner« rekrutiert, die Sex-Partys geben (»machen Sie sich keine anderen Umstände«), den »Verkehr« regeln und ihrer Ehefrau keinen Hausfreund erlauben (»…aber ich habe es ihr niemals erlaubt!«).

 

Kalkofe tat gut daran, Asmussens Witze ohne Publikum einzulesen, einerseits, denn zwischen dem Gelächter über die unfreiwillige Komik der verklemmten Fünfzigerjahregags und dem Lachen über Pointen, die zwischendurch dann doch funktionieren, wäre schwer zu unterscheiden gewesen. Andererseits macht diese Amputation der sozialen Ebene es fast unmöglich, mehr als ein paar Minuten dieser ewig alten Klassiker am Stück zu hören. Und man fragt sich unwillkürlich, ob solcherart vorgelesene Comedytexte nicht zwangsläufig unkomisch sein müssen, egal wie sehr sie unter anderen Umständen zündeten. Denn ein Arbeitsbündnis zwischen Comedian und Publikum braucht es immer – wer etwas partout nicht komisch finden will, weil er beispielsweise den Vortragenden ablehnt, oder nicht komisch finden kann, weil ihm die entsprechenden Voraussetzungen wie Haltung und Wissen fehlen, bei dem werden auch die besten Witze keinen Erfolg haben. Umgekehrt spricht alles für ein starkes Arbeitsbündnis zwischen Comedian und Publikum, wenn Texte ohne erkennbare Pointen für Lachstürme sorgen. Ich würde vermuten, die Stand-ups von Mario Barth (»Kennste, wa? Kennter doch, oder?!«) würden genauso sang- und klanglos untergehen wie die von Helge Schneider, wenn sie von Barth- respektive Schneider-Kritikern im Studio und ohne Auditorium zersägt würden.

 

Was Kalkofe immerhin nicht tut: Er bemüht sich um angemessene Intonation und lebhaften Vortrag. Vielleicht mußte ich deshalb über den einen oder anderen Scherz eben doch lachen, wie etwa über diesen:

 

Der Ringrichter zählt: »Eins, zwei, drei…« – »Joe«, flüstert der Trainer dem Boxer ins Ohr, »steh nicht vor acht auf!« – »Okay«, stöhnt der Angeschlagene, »wie spät ist es jetzt?«

 

Er hat halt seine Momente, dieser Asmussen. Kennter doch, nä, kennter, oder?!

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt