Humorkritik | Januar 2009

Januar 2009

Maß-Arbeit

Für die Eiligen unter uns hier eine Summary, laut welcher der Hubsi bilanziert, »jetzt werde es langsam Zeit, zur Partymeile auf der Leopoldstraße aufzubrechen, weil um halb drei schon das Straßenfest vom Renato losgehe und danach alles mögliche anstehe und er auch noch am Chinesischen Turm vorbeischauen und eine Maß Sommerbier zischen und nachschauen wolle, ob die eine Blonde zufällig wieder da sei. Der Jackie stöhnt, trinkt sein drittes Weißbier aus, der Hubsi schluckt seinen Cocktail, und dann ziehen sie los.«

 

So steht es geschrieben bereits auf der ersten Seite von Michael Sailers Kolumnensammlung »Schwabinger Krawall 2« (Lagrev 2008), und auf den 151 noch folgenden Seiten (wie auch den 155 des ersten »Schwabinger Krawall«-Bandes; 2007 dito bei Lagrev) passiert eigentlich nicht wesentlich mehr, nämlich, daß der Hubsi und der Jackie losziehen und alles mögliche ansteht, was aber immer dasselbe ist: jede Menge Cocktails und Biere beim Renato, anläßlich irgendwelcher In-Partys oder Volksbelustigungen, welche der Hubsi und der Jackie primär aufsuchen, um die eine oder andere Blonde oder andersgefärbte »Hasen« anzubaggern, woraus jedoch nie etwas wird, weil der Hubsi und der Jackie, bevor es ans Eingemachte geht, strunzhacke sind, was wiederum unvermeidlich mit allerlei Randale endet, dem Auftauchen der Polizei und fröhlichem Chaos: »Der weitere Verlauf der Angelegenheit ist etwas wirr«.

 

Ergänzt werden die vergnüglichen Hubsi-Humoresken, mit denen Michael Sailer regelmäßig die Leserschaft der Taz-Wahrheit-Seite zu erfreuen pflegt, um andere Schwabinger Figuren, wie die Ehepaare Reithofer und Hammler, die alte Frau Reibeis (ca. 95), den kleinen Fritzi (ca. 13) oder den POM Stanggradl, die auf ihre Weise zu den titelgebenden Krawallen beitragen, die freilich nichts mit den gleichnamigen politischen aus den wilden sechziger Jahren zu tun haben. Eher mit Ludwig Thomas »Lausbubengeschichten«. Oder »Kir Royal«. Oder »Monaco Franze«. Denn natürlich kennt Sailer die prachtvolle Tradition all der bajuwarischen Stenze, Tagediebe, Kleinbürger und notorischen Radaubrüder, aber auch die ganz spezifische Münchner Sprech- und Denkweise, wie sie ihre schönsten Blüten bei Karl Valentin, dem Weiß Ferdl und freilich auch in Ödön von Horvaths »Der ewige Spießer« treibt. Wenn man all das nicht kennt und auch über keinerlei Erfahrungen mit dem sehr eigenen Münchner Soziotop verfügt, macht das rein gar nichts. Denn die eigentliche Kunst Sailers besteht ja darin, seit Jahren seine Schwabinger Typen die immer gleichen banalen Abenteuer erleben zu lassen, ohne daß die Running Gags zu langweilen begännen. Denn obwohl jeder Tag austauschbar verläuft und endet – »ein Mordsschädel, lauwarme Lauge im Bauch und das verschwommene Gesicht von irgendeinem Hasen« –, wartet Sailer immer wieder mit überraschenden Einfällen und effektvollen Variationen auf und hat eben Typen geschaffen, die bei aller krawalligen Überzeichnung das sind, was man heute gern »authentisch« nennt – und alltagsphilosophisch obendrein: »Eine Wohnung, hat der Hubsi gesagt, sei zu einer Kneipe auf die Dauer keine Alternative«.

 

Michael Sailer, den hier zu loben und dringlichst zu empfehlen ich mir schon lange mal wieder vorgenommen hatte, ist nicht nur ein so emsiger wie blitzgescheiter u.a. Musik- und Literaturkritiker, sondern ein ganz singuläres komisches, so anarchisches wie anarchistisches Talent, was gefälligst nicht nur die Leser der Taz, sondern nunmehr auch der Humorkritik zur Kenntnis nehmen sollten. Und alle anderen auch.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt