Humorkritik | Januar 2008

Januar 2008

Vier mal reingehört

Bevor der CD-Stapel ganz umzukippen droht, ziehe ich mal eben vier Debütwerke heraus, sämtlich aus dem Feld der Vorleseunter­haltung, die teils auf der Bühne, teils im ­Studio aufgezeichnet wurden, die teils komisch sind, teils nur so tun, als ob. Aber schön der Reihe nach: Da wären zunächst Sebastian 23 und sein »Gefühlsmoped« (Sprechstation). Bei mitunter recht lärmigen Auftritten mitgeschnitten, pendelt da ein lausbübischer Slammer zwischen unerfreulichen (»Stell dir vor, du hast ’nen Darmverschluß, weshalb du Scheiße kotzen mußt«) und erfreulichen Versen und Liedern (»Hütet euch vor den Böden, / denn sie sind bereits unter euch«). Das Ganze ist mit der Sorte grobkarierter Lässigkeit abgeschmeckt, die Substanz gerne zugunsten von Effekt überfährt; Kunden, die auch Funny van Dannen gekauft haben, werden’s mögen.

 

Etwas leiser mag es Hauke Trustorff (erst Jahrgang 1980), der auf »Schrub und Lars« (Reiffer) vor allem Geschichten erzählt: die vom Familienvater, der sich am Weihnachtsabend als Callboy verdingt, oder die von den zwei Zivis, denen ein siecher Greis zum persönlichen Memento mori wird. Beruhigend wallt Trustorffs Stimme dahin, kein Störgeräusch trübt die Monotonie, schon gar nicht das schwache Gespür für Timing und Pointe. Und von Trustorffs Lyrik will ich lieber ganz schweigen (»Haiku: Früher war dick schick. / Das Sprichwort sagt: Sie war die / Schönste weit und breit«).

 

Dem Darmstädter Dichter Dreppec dünkt der dritte Tonträger als idealer Ort für seine bemerkenswerten Stabreimkaskaden: Er hat sich als komischer Lyriker einen Namen gemacht, und auch auf »Metakekse« (Ariel) finden sich neben »Die Doppelmoral des devoten Despoten« sein wilhelmbuschpreisverdächtiges Gedicht über Biolehrer und Flechten. Sprachliche Reduplikationsspiele sind Dreppecs Stärke, wo er sich aber als Tiefgründler gibt oder zu sehr auf das Wortspiel verläßt (»Inkontinent von Kontinent zu Kontinent«), möchte man schon am Laut­stärkeregler drehen.

 

Der Berliner Micha Ebeling schließlich hat seiner CD »Restekuscheln« (Voland & Quist) gleich ein ganzes Buch gleichen Titels beigelegt. Das freilich hätte nicht sein müssen: Das Druckwerk ist so foller Vehler, daß man es gar nicht erst lesen, sondern den gehetzten Vorträgen des Verfassers lieber gleich via CD folgen sollte. Da drängen die Worte nämlich nur so heraus, und sie führen oft zu Gelächter. Für Stilfragen bleibt da gar nicht viel Zeit, dafür schimmert häufig das durch, was man anderswo Authentizität nennt.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick