Humorkritik | Dezember 2008

Dezember 2008

Männerphantasien

Zur ewigen Frage nach dem Ungleichgewicht der Geschlechter im deutschen Komikbetrieb habe ich zuletzt (TITANIC 7/2007) Barbara Nolte zu Wort kommen lassen, die im Magazin der Süddeutschen Zeitung ermittelt hatte, daß humorvolle Frauen vor allem eines verbinde: die arge Schwierigkeit, einen Mann zu finden.

Aus Anlaß der neuen »Ladykracher«-Staffel hat das Thema nun auch Spiegel online erreicht. In seiner »Polemik« »Frauen und Humor: Jeder Witz braucht einen Bart!« eifert der bewährte Reinhard Mohr seiner Kollegin Nolte nach und rät balzenden Frauen dito, sich keinesfalls humorvoll zu geben, um ihre potentiellen Geschlechtspartner nicht zu verschrecken. Die Frauen nämlich, die Mohr zu kennen vorgibt, sind »schön und intelligent, geheimnisvoll und berechnend, romantisch und lebensklug« – warum lassen sie sich dann mit dem Mohr ein? –, doch fehle es für den ganz großen Witz an klassischen männlichen Tugenden wie »Tempo«, »Schärfe«, »Stärke«, »Souveränität«, »Selbst- und Welterfahrung«, kurz: »lustig sind sie nicht«. Demgegenüber gehen Männer »einfach auf die Bühne und erklären die Welt«.

Einer von diesen Welterklärern ist Spon-Kollege Daniel Haas, der sich in seiner Analyse darüber freut, daß US-amerikanische Komikerinnen gottlob nicht davor zurückschreckten, »auch mal eine ›bitch‹ zu sein«, womit Haas »Qualitäten wie Selbstbewußtsein, Eigensinn und vor allem Unabhängigkeit von männlichen Zuschreibungen« verknüpft, die den deutschen Kolleginnen fehle. Wären mit diesen männlichen Zuschreibungen nun traditionelle Rollenklischees gemeint, Haas hätte einen allemal richtigen Punkt getroffen: Liebe und Milde sind in den seltensten Fällen lustig. Haas aber möchte statt dessen »emanzipatorische Zwänge« sprengen, heißt: Die Damen sollen sich auch mal nackich machen. Genauso wie der altersgeile Mohr gegen die »Vorkämpferinnen des feministischen Satirewesens« wettert, wähnt Haas die US-amerikanischen Komikerinnen gegenüber ihren deutschen Kolleginnen deshalb im Vorteil, weil sie seinen, Haasens, »Erwartungen an weibliche Attraktivität« eher entsprechen. Haas schreibt das wirklich so; deutsche Komikerinnen scheuten »den Sex-Appeal wie Superman das Kryptonit«, folglich mißfällt ihm an der Kabarettistin Carolin Kebekus in erster Linie, daß diese lieber für ihr Bühnenprogramm als für ihr Aussehen gelobt werden möchte, während er an Mirja Boes ihren unerotischen Frotteeanzug beanstandet. Die Amerikanerinnen, so läßt er sich von Stromberg-Autor Ralf Husmann den gedanklichen Kehricht aus dem Munde nehmen, seien im Gegenteil »sexy«, weswegen Haas die durchaus begnadete Sarah Silverman auch nur für ihre »Schönheit«, »engelhafte Miene« und ihr »strahlendes Colgate-Lächeln« preisen zu müssen meint.

Schön, daß wir auch darüber mal gesprochen haben; auf den Gedanken, Arsch, Titten und gute Zähne seien eherne Voraussetzung für weibliche Komikqualitäten, kann man wohl nur bei den Althumoristen vom Spiegel kommen. Ärsche sind aber gar nicht per se lustig; w.z.b.w.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick