Humorkritik | August 2008

August 2008

Noch mal Treichler

Lobend verwies ich im Juni auf Robert Treichlers Abhandlung über »Die Religion der Ab’sdrusen«. Ich wiederhole mich, wenn ich mitteile, daß Treichler, gemeinsam mit seinem Co-Autor Markus Huber, das Buch »Keiner ist so toll wie wir« (Ueberreuter, 2001) geschrieben hat. Zurückziehen möchte ich hingegen meine Annahme, besagtes Buch widme sich »der in Österreich nicht unüblichen Selbstbetrachtung«. Im Gegenteil: Widmen tut es sich nämlich explizit der Betrachtung von allem Un- und Außerösterreichischen. In 39 Kapiteln verspotten die Autoren Völker, Staaten und Untermenschen. Zum Exempel vielleicht ein kurzer Abriß über die Belgier.

 

Diese sprechen bei Huber und Treichler entweder »schlechtes Niederländisch« oder »schlechtes Französisch«, das Land selbst beschreiben sie als »herrlich flach und nutzlos«, wodurch es sich als »ideales Kriegsgebiet« eigne. Großbritannien hätte den Falklandkrieg in Belgien abhalten sollen, »um sich die Reisekosten und dem TV-Publikum die Zeitverschiebung zu ersparen«. Das Einzige, was dem Belgier halbwegs gut gelinge, sei Schokolade – und zwar deshalb, weil er als Pädophiler lange Erfahrung im Ködern von Minderjährigen habe.

 

Mitunter wiederholen sich die Pointen; was soll man auch machen, wenn die Küche überall ungenießbar, die Währung überall mies und die Landessprachen durch die Bank behämmert sind. Doch auch hier schaffen es die Autoren, immergleiche Schmähungen in immer neue Formen zu gießen. So sei das Isländische »die einzige Sprache der Welt, die in Laufmetern gemessen wird«, über Finnland solle die UNO »Care-Pakete mit linguistischen Grundelementen abwerfen«, in Slowenien werde man »um Vokale angeschnorrt«, im Spanischen betone man alle Wörter so, »als wäre man extrem sauer«. Ein Thema, schöne Variationen.

 

Meine liebste Rubrik aber ist »Geographie«. Hinreißend, mit welch sinnlosem Ingrimm die Autoren über die Formen von Staatsgrenzen herziehen: Bulgarien gleicht da einem »leicht aus der Form gekommenen Waschlappen«, die Schweiz »einer behinderten Qualle«, die Slowakei sieht gar aus »wie die Schweiz, auf die jemand draufgestiegen ist«, und in Ungarn ist es so flach, »daß die Donau kurz nach Budapest abdreht und in Richtung Süden fließt, weil ihr auf dem Weg durch Ungarn sonst kreuzlangweilig würde«. Weißrußland, Estland und die Niederlande, die das Pech haben, entweder sehr sumpfig oder sehr flach zu sein, sähen die Autoren am liebsten überschwemmt oder geflutet – aber was wäre dann?

 

Dann würden sich die Weißrussen, Holländer und Esten wohl massenhaft ins gebirgige Österreich flüchten. Und das kann in dem kleinen kotelettförmigen Land niemand ernsthaft wollen.

  

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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/i nnen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick