Humorkritik | Februar 2007

Februar 2007

Kritikerpech

Der Kollege Georg Seeßlen ist u.a. für meist etwas kopflastige filmgeschichtliche Grundlagenwerke zu bestimmten Genres zuständig (»Horror. Grundlagen des populären Films«, »Klassiker der Filmkomik. Zur Einführung in die Typologie des komischen Films«). Seine jüngste Ansicht, eine aktuelle filmische Entwicklung betreffend, kann ich aber gar nicht teilen. In der Zeit vertrat Seeßlen die These, der klassische Actionheld habe nach dem 11. September 2001 abdanken müssen, und ersatzweise wären seither animierte Tiere für die Rettung der Welt verantwortlich. Als Beispiele dienten ihm die neuesten computergenerierten Filme wie »Happy Feet«, »Flushed Away« und »Open Season«, in denen Pinguine, Ratten, Bären etc. als Zivilisationsopfer den Menschen entgegentreten. Seeßlen findet das lobenswert und zukunftsweisend.

Seine Behauptung, daß diese Art von Filmen das klassische Actiongenre heute schon dominieren, wird allerdings mit einem Blick auf die Zuschauerzahlen der Weihnachtssaison widerlegt: Ausgerechnet der älteste aller Actionhelden – James Bond – hat mehr Zuschauer als die drei konkurrierenden Animationsfilme zusammen. Das weist nun eindeutig auf eine erste Krise des 3D-Genres hin, denn nach den ersten Fortsetzungen von »Shrek« und »Ice Age« hat keiner dieser Filme die Einspielerwartungen auch nur annähernd erfüllt.

Da ich mehr Routine im Prophezeien habe, sage ich voraus, daß der Animationsfilm sich für die Zukunft eigene Stars wie eben den Oger Shrek, das Faultier Syd, das Eichhörnchen Scratch oder den Cowboy und den Astronauten aus »Toy Story« schaffen und damit das Vertrauen eines Publikums gewinnen muß, das durch die Breite des diesbezüglichen Angebots nicht mehr bereit ist, sich jeden neuen Film dieser Art anzuschauen. Und da man in einem just angebrochnen Jahr zu Kühnheiten neigt, erlaube ich mir, hier Parallelen zur Entwicklung im realen Hollywood-Film zu sehen: Als die Attraktion des Films als neuartiges Produkt verbraucht war, folgte das Starsystem, das sehr lange funktioniert hat.

Ob wir Shrek dann irgendwann mit Buzz Lightyear in der Eiszeit sehen werden? Aber jetzt frage ich wirklich zu weit. Tut mir leid.

  

Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt