Humorkritik | Februar 2007
Februar 2007
Ein Verbrechen am Kapital
Daß Kapitaleigner keinen Sinn für Komik hätten, ist ein weitverbreitetes Vorurteil, vor dem ich nicht genug warnen kann. Ein sehr schöner Beweis für die Triftigkeit dieser meiner Mahnung ist unlängst Herrn Günter Mergel gelungen. Der Mann besitzt im niedersächsischen Delmenhorst das »Hotel am Stadtpark«, wollte das Objekt aber, da es seit Jahr und Tag leersteht, gern abstoßen. Nun hatte die Stadt Delmenhorst den Verkehrswert des Hotels auf 1,5 Millionen geschätzt, der Besitzer war jedoch der Meinung, es sei mehr als das Doppelte wert. Bekannt geworden ist Herrn Mergels Drohung, das Hotel an Nazis zu verkaufen, was die Stadt dann doch zum Einlenken bewogen hat: Sie kaufte es lieber selber, für drei Millionen. Über der ganzen Aufregung mit den Nazis, die schon den Fuß in der Tür zu haben schienen, ist ein anderer, verbaler Versuch Mergels, der Stadt beizukommen, ganz untergegangen: Er bezichtigte diese, wegen des seiner Meinung nach viel zu niedrig angesetzten Schätzwerts für sein Hotel, eines »Kapitalverbrechens«. Und das nenne ich doch einen sehr ausgeprägten, feinen Humor, diese im Handumdrehn vorgenommene Umdeutung eines gängigen Begriffs für eigene Zwecke. Wieviel mehr Witz steckt doch in dem zu Kapitalistengunsten umgemünzten Wort als etwa in der Phrase, das Kapital sei ein Verbrechen. Ein Kapitalverbrechen! Ein Verbrechen an meinem Kapital! Als wär’s ein Stück von Brecht.