Inhalt der Printausgabe

Mai 2006


Humorkritik
(Seite 5 von 8)

Witzfigur Lukaschenko
Der weißrussische Despot Alexander Lukaschenko hat seinen Widersachern öffentlich angedroht, ihnen den Hals umzudrehen »wie kleinen Enten«, und nach seiner Wiederwahl hat er einer ausländischen Korrespondentin, die es wagte, ihn in einer Pressekonferenz auf dieses Zitat anzusprechen, den Rat erteilt, sich einer chirurgischen Untersuchung zu unterziehen. Und dann noch diese buschige, das Bärtchen des von Lukaschenko erklärtermaßen verehrten Diktators Hitler doppelt und dreifach zitierende Schnodderbremse: Ich kann mir nicht helfen – dieser Schuftikus bringt mich zum Lachen, so oft er sein kahles Haupt in meinem Fernseher erhebt.
Leider herrscht dieser Idiot in seinem Machtbereich tatsächlich über Leben und Tod, und ich nehme an, daß weißrussische Humorkritiker den Mann mit anderen Augen sehen als ich, weil sie sich ernsthaft vor ihm fürchten müssen. Darf man sich als mitteleuropäischer Zuschauer der weißrussischen Tragödie überhaupt ein Urteil über die regieführende Witzfigur erlauben?
Lukaschenko würde diese Frage zweifellos verneinen. Ich würde sie mit einer Gegenfrage beantworten: Was ist so lustig an Lukaschenko?
Erstens, würde ich sagen, daß er mehr sein möchte, als er ist – daß er unübersehbar nach der Weltherrschaft giert, aber doch nur das arme Weißrußland unter seine Knute zu zwingen vermag, für eine kurze Zeit, und zweitens, daß er aussieht wie James Finlayson, der jeden Augenblick von Stan und Ollie eine Torte ins Gesicht geschmissen kriegen wird. Und sonst?
Einen dritten Grund hat der Essayist Christian Schneider mit Sigmund Freuds und Hellmuth Plessners Hilfe in der taz zu bestimmen versucht: »Lukaschenkos fragwürdige Sentenzen, die uns zum Lachen reizen, sind Witze eigener Art: Ausgeburten von Größen-, Macht- und Gewaltphantasien, die sich die Form der politischen Rede geben. Wenn wir darüber lachen müssen, dann nicht nur wegen dieser offenkundigen Diskrepanz – sondern weil wir unbewußt diese Phantasien teilen.« Das aber, halten zu Gnaden, ist Schnokus, Firlefanz, kulturkritisches Kastagnettengeklapper. Um große Diktatoren lächerlich zu finden, muß ich doch nicht unbewußt deren Gewaltphantasien vom Abmurksen kleiner Enten teilen. Da lachen ja die Hühner.



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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt