Inhalt der Printausgabe

Mai 2006


Humorkritik spezial
»Not all drugs are good. Some of them are great!«
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Bill Hicks starb 1994 mit 32 Jahren. Kürzlich wurde er auf einer britischen Comedy-Internetseite zum »meistvermißten Stand-up-Comedian«
gewählt. In Deutschland ist nun eine DVD mit seinem exzellenten Set vom Montreal Comedy Festival 1991 erschienen.

Bill Hicks: »Relentless«, erschienen Anfang März bei Ryko. Leider ohne englische, dafür mit deutscher Untertitelung, die es mit der Eindeutschung allerdings zu gut meint, »Buick« mit »Volvo« übersetzt und »Situps« mit »Liegestütz«.
Außerdem empfehlenswert: die Dokumentation »It’s Just a Ride«, die zusammen mit dem Liveauftritt »Revelations« unter dem Titel »Totally Bill Hicks« per Import erhältlich ist.
Das soll Bill Hicks sein? Dieser ungesund schwitzende Mann auf der Bühne soll schon mit fünfzehn den lokalen Comedy-Größen ihren Rang streitig gemacht haben? Der bleiche, dickliche Typ in schwarzen Klamotten, der aussieht wie vierzig, aber noch nicht einmal dreißig ist, hatte zu besten Zeiten 280 Auftritte pro Jahr? Dieser Vokuhila-Träger mit dem schlimmen Kassengestell hat regelmäßig psychedelische Drogen genommen und seine diesbezüglichen Erfahrungen auf der Bühne verherrlicht, wurde deshalb von seinen Fans geliebt und von Rechten verprügelt?
Es fällt mir schwer, das zu glauben. Der ist so unsympathisch. Und mit den ersten Sätzen seines Programms »Relentless« (»Unbarmherzig«), mit dem er 1991 in Montreal auftritt, macht Hicks klar, was er von seinen Mitmenschen hält: nichts. »Ich habe wohl so ein Gesicht, daß mir völlig Unbekannte sich vor mich hinstellen und sagen: ›Was ist denn los? Lächel doch mal!‹ Sie sagen, es kostet mehr Energie, die Stirn zu runzeln, als zu lächeln. – Yeah, und es kostet mehr Energie, mir das zu sagen, als mich einfach in Ruhe zu lassen. Also warum haut ihr nicht ab, dann fange ich auch an zu lächeln!« Hicks klärt kurz, daß er auf subalterne Arbeit gut verzichten kann, auch im Sommer lieber zu Hause bleibt, als an den Strand zu gehen, und zumindest unter einer Neonreklame für Bier halbwegs gesund aussieht. Wie er sich gibt, ist er das genaue Gegenteil der meisten amerikanischen und, um das mindeste zu sagen, auch der deutschen Comedians und politischen Kabarettisten, die ihren Murks als Dienstleistung am Publikum begreifen und ihm deshalb nach dem Mund reden, sich auf »Quatsch Comedy Club«-Harmlosigkeiten zurückziehen und erst dann mutig werden, wenn sie sicher sind, die Meinung ihrer Zuschauer formulieren zu können. Hicks aber sucht die Konfrontation.
Und schon ein paar Minuten später hat er mich am Haken. Seine abweisende Körpersprache macht ihn unnahbar und um so interessanter, aber es ist nicht nur das: Wie ein Getriebener haut er dem Publikum seine Wahrheiten um die Ohren. Es ist ein Feuerwerk der schlechten Laune, das Bill Hicks abbrennt, und je schwereres Geschütz er auffährt, desto komischer wird er.
»Hey, man. Killer idea. Ich habe gerade ›Terminator 2‹ gesehen. Keine Chance, daß sie diese Stunts jemals toppen. Es sei denn… sie nehmen Todkranke als Stuntmen. – Hört doch erst mal zu! Ich weiß schon, das klingt grausam, todkranke Stuntmen. Wißt ihr, was ich für grausam halte? Seine Angehörigen in einem sterilen Krankenhauszimmer zu lassen, umgeben von Fremden! Das ist scheiße! Wollt ihr eure Oma lieber wie einen kleinen Vogel in einem Krankenhauszimmer sterben lassen, die Haut so dünn, daß man den letzten Herzschlag das Blut durch blaue Venen pumpen sehen kann? Oder wollt ihr, daß sie Chuck Norris trifft? Hey, wieso ist deine Oma denn wie ein Straßenräuber angezogen? Klappe, runter vom Set! Action! Schiebt sie Richtung Chuck! [Karate-Geräusche]. Wow, hast du den Kopf wegfliegen sehen? Hast du das gesehen?! Sie hat’s hinter sich, und du hast den größten Film aller Zeiten gesehen! Ich merke schon, ihr findet die Idee immer noch nicht so gut. Was ist denn los?! Ihr und eure geheuchelte Anteilnahme!«

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Mmmmh, Thomas de Maizière,

Mmmmh, Thomas de Maizière,

über den Beschluss der CDU vom Dezember 2018, nicht mit der Linkspartei oder der AfD zusammenzuarbeiten, an dem Sie selbst mitgewirkt hatten, sagten Sie bei Caren Miosga: »Mit einem Abgrenzungsbeschluss gegen zwei Parteien ist keine Gleichsetzung verbunden! Wenn ich Eisbein nicht mag und Kohlroulade nicht mag, dann sind doch nicht Eisbein und Kohlroulade dasselbe!«

Danke für diese Veranschaulichung, de Maizière, ohne die wir die vorausgegangene Aussage sicher nicht verstanden hätten! Aber wenn Sie schon Parteien mit Essen vergleichen, welches der beiden deutschen Traditionsgerichte ist dann die AfD und welches die Linke? Sollte Letztere nicht eher – zumindest in den urbanen Zentren – ein Sellerieschnitzel oder eine »Beyond Kohlroulade«-Kohlroulade sein? Und wenn das die Alternative zu einem deftigen Eisbein ist – was speist man bei Ihnen in der vermeintlichen Mitte dann wohl lieber?

Guten Appo!

Wünscht Titanic

 Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

Kurz hattet Ihr uns, liebe Lobos,

als Ihr eine Folge Eures Pärchenpodcasts »Feel the News« mit »Das Geld reicht nicht!« betiteltet. Da fragten wir uns, was Ihr wohl noch haben wollt: mehr Talkshowauftritte? Eine Homestory in der InTouch? Doch dann hörten wir die ersten zwei Minuten und erfuhren, dass es ausnahmsweise nicht um Euch ging. Ganz im Sinne Eures Formats wolltet Ihr erfühlen, wie es ist, Geldsorgen zu haben, und über diese Gefühle dann diskutieren. Im Disclaimer hieß es dann noch, dass Ihr ganz bewusst über ein Thema sprechen wolltet, das Euch nicht selbst betrifft, um dem eine Bühne zu bieten.

Ihr als Besserverdienerpärchen mit Loft in Prenzlauer Berg könnt ja auch viel neutraler und besser beurteilen, ob diese Armutsängste der jammernden Low Performer wirklich angebracht sind. Leider haben wir dann nicht mehr mitbekommen, ob unser Gefühl, Geldnöte zu haben, berechtigt ist, da wir gleichzeitig Regungen der Wohlstandsverwahrlosung und Realitätsflucht wahrnahmen, die wir nur durch das Abschalten Eures Podcasts loswerden konnten.

Beweint deshalb munter weiter den eigenen Kontostand: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg