Inhalt der Printausgabe
März 2006
Brauchen wir die Bombe? (Seite 2 von 3) |
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Auf den ersten Blick scheint alles so einfach: Deutschland schafft sich eine eigene Atombombe an, und die anderen Länder respektieren Deutschland endlich und hören auf, uns mit Kriegsdrohungen, Anschlägen und völlig überhöhten EU-Beitragszahlungsforderungen zu terrorisieren. Heilige Einfalt! Die Wahrheit ist: Es bleibt in der Regel nicht bei dieser einen Bombe. Schnell kommt eine zweite hinzu, dann eine dritte – und schon hat man ein ausgewachsenes Atombombenarsenal herumstehen, das einem das Land verschandelt und dessen Unterhalt das ganze Wirtschaftswachstum auffuttert. Ästhetisch wie ökonomisch ist die atomare Bewaffnung nämlich ein Desaster: Man schaue sich nur einmal an, was das für Länder sind, die über eigene Atombomben verfügen. Es sind im Kern gespaltene Drittweltländer wie Rußland, Frankreich und England, in denen sich die Lumpen hinterrücks die Köpfe einschlagen, oder tückisch vor sich hinstrahlende Asiatenstaaten wie China, Indien und Pakistan – armselige Ameisenhaufen also, in denen man seit jeher den tapferen Kampf Mann gegen Mann scheut. Hinzu kommen noch die weltweit eher unbeliebten Rüpelstaaten USA und Israel, bei denen man aber auch nicht den Eindruck hat, daß ihr Bombenbesitz den Terrorismus auch nur ansatzweise im Zaum zu halten vermöchte. Man muß natürlich zugeben: Auch Deutschland ist von Feinden umzingelt, von erbitterten Feinden sogar, die sein Existenzrecht bestreiten und es von der Landkarte radieren wollen. Aber es gibt mittlerweile konventionelle Waffen, mit denen man Holländern und Polen ebensogut Bescheid stoßen kann, ohne daß man gleich gegen den von Rot-Grün besiegelten Atomausstieg verstoßen müßte. Denn wenn es auch heutzutage als schick gilt, auf Konventionen (z.B. Genfer) zu pfeifen und konventionelle Waffen grundsätzlich für öde und spießig zu halten: Superbomben vom herkömmlichen »Daisy Cutter«-Typ roden nicht nur in Sekundenbruchteilen eine Gänseblümchenwiese von der Größe mehrerer Fußballfelder, sondern bestechen auch durch einen glamourösen Lichtblitz, dessen Schauwert dem eines Atompilzes kaum nachsteht – das aber zu einem erheblich günstigeren Preis! Gegen muselmanische Terroristen hülfe eine Atombombe ohnehin nicht. Die Brüder sehnen sich ja wegen Paradies, Jungfrauen u.ä. regelrecht danach, möglichst spektakulär zu detonieren, zu verbrennen und zu verdampfen. Man täte ihnen also sogar noch einen Gefallen! Daß denen, die es nicht sogleich ins Paradies bzw. die Jungfrauen schaffen, anschließend die Fusselbärte ausfallen, hinter denen sie sich so gern verstecken, kann da nur ein schwacher Trost sein. Schließlich gibt es einen gewichtigen historischen Grund gegen die Bombe: Die Geschichte unseres Landes hat gezeigt, daß wir Deutschen Massenvernichtung auch ohne Atom sehr gut hinkriegen. Das weiß die ganze Welt, da brauchen wir uns gar nicht zu verstecken. Und sollte Deutschland eines Tages tatsächlich von irgend jemandem mit einer Atombombe bedroht werden, könnte man sich mit dem immer noch an den Verhandlungstisch setzen und die bedingungslose Kapitulation anbieten. Auch darin haben wir Erfahrung – und mal ehrlich: Hat es uns etwa geschadet? Mark-Stefan Tietze |
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