Inhalt der Printausgabe
Juni 2006
Titten, Toppen, Querschläger aus der Welt der neusten Vulgarität (Seite 3 von 4) |
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Insofern stimmt aber auch wieder und noch immer beinahe heiter, was jene ZDF-Reporterin zur Millenniumswende anläßlich eines steirischen Grubenunglücks ins Mikrophon gekräht hatte: »Es bleibt weiter spannend!« Nämlich, ob die halbe Hundertschaft im Berg eingeschlossener Kumpel evtl. doch noch rauskommen könnte; sie kam nicht, irgendwann verwich die Spannung. Rechtens aber übernahm die Formulierung wörtlich der BR-Reporter im Januar angesichts der Trümmer und der noch nicht restlos vorgefundenen Toten von Bad Reichenhall – »spannend« blieb auch darüber hinaus im gesamten letzten Jahrzehnt das Idiotenwort der Zeit und Nation, so daß auch noch bei den infernalischen Dämlichkeiten der in Berlin von der Wagner-Urenkelin Katharina im Dezember 2005 veranstalteten und nur mehr entfernt an Puccini gemahnenden »Trittico«-Regie der zuständige Bürgermeister Wowereit von »spannendem Theater« zu loben vermochte – jawohl, »spannend« behauptete auch und gerade im bisherigen Mozartjahr eine Spitzenblödianität, knapp vor den ebenso vertrauten Alltagszumutungen »pur«, »super«, »Wahnsinn«, »Traum« und dem Newcomer des Jahres 2005, nach dem ständig irgendwelche Leute anderen »auf Augenhöhe« begegnen; so noch laut Spiegel (1/06, S.51) die Deutschen den Amis und also Merkel Bush jr., ohne diesem gleich die Arschkarte zu zeigen. Andererseits muß es auch Unterschiede geben, etwa: »Das Dies Irae aus dem Mozart-Requiem, neu eingespielt von Harnoncourt – das ist spitze, das ist nicht mehr zu toppen« (Klassik-Radio Bayern), und zwar ultimativ und im Zuge nicht nachlassenden ungemein gemeinen Geschmarres aus dem unbarmherzig nimmermüden Kasten. Pur und ultimativ narrisch geworden aber ist 2005 schon Th. Gottschalk. Er fühlte sich kraft seiner Kamerapräsenz für die Salzburger Netrebko-»Traviata« ebenso zuständig wie kurz zuvor für den neuen und schauerlichen Bayreuther »Tristan«. Über den nämlich, über den »Lover« Tristan, teilte er in der Bunten (32/05) mit, er habe dort, am Grünen Hügel, »Leidenschaft pur und Wagners Musik mit tosender Wucht erlebt … aber das war’s dann auch mit dem Liebesrausch« – – für den aber auch 2006/06 wieder die pralle Feminität doch vielleicht sogar noch draller einsteht als das Gegenteil samt Gottschalk. Und also auch für allerlei ultimativst extremst getoppste Neo-Mega-Vulgaria im Verbalrevier: »Kelly, das Schleckermäulchen« läßt in Bild vom 3.2.06 ihre nackichten Tittchen ebd. »schnell schwubbeidiwupp wieder verschwinden«; Miß Deutschland Daniela ist am 21.1. »superglücklich« über ihren Titel; »Kommunikationsfachfrau« Cora Schumacher dagegen gibt in der Welt am Sonntag gleichfalls noch im Januar zu: »Büchermäßig bin ich auch nicht so lesetechnisch unterwegs«, meint, wie die Base-freedom-of-speech-Reklameblonde noch in der nämlichen Woche für sie einspringt: »Ich sag’, was ich will – und mit meiner Handy-Flat-rate soviel ich will!« |
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