Inhalt der Printausgabe

Juni 2006


Titten, Toppen, Querschläger
aus der Welt der neusten Vulgarität
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Und auch die oberste Feministin des Landes ist schwer fidel voll mit von der Partie. Zwar ist die unvergessene Bild-Titelzeile »Wir sind Papst!« vom April 2005 geschlechtsursachenspezifisch nicht weiter mehr zu ermitteln, an solchen nicht weiter zu toppenden Wortunraten arbeitet ja auch meist ein sexübergreifendes Kollektiv sich ab. Alice Schwarzer aber war es dann, der die wohl letztlich auf den welschen Trainer Trap zurückgehende Stummelsache als Volksbelustigung sehr gefiel und sie deshalb in ein jetzt aber doppelt dummes Arschgerede ausdriften ließ: »Jetzt, wo wir Kanzlerin sind, ist alles erlaubt«, krakeelte auch verbal tabulos enthemmt »die Frau, die einmal Schwanz-ab-Schwarzer war« (SZ 7.2.06) beim Bundespresseball über Modetrends, um die Komikfähigkeit der Feminität vorzuführen und halt auch mal was Lustiges zu sagen, und genau das aber griff gleich darauf der noch immer lädierte und vielleicht noch nicht oder nicht mehr ganz zurechnungsfähige E. Stoiber auf und variierte wegen der Prämierung seines Staatsradioorchesters verzweifelt: »Wir sind Grammy!«
Was ohne jeden Zweifel auch noch partiellvirtuell und rhythmusassoziativ in das leider noch immer gut erinnerliche »Du bist Deutschland« zurückunkt – damit nichts mehr anbrennt, zeigt A. Schwarzer aber auch nochmals und sogar vor der A. Merkel-Wahl, wer Herrin im Haus der allerneuesten Inferiorität ist, und kommt dem eventuellen Maskulinitätscomeback im Emma-Interview vom September 2005 sturheil zuvor: »Nur, Frau Merkel, ist da auch Frau drin, wo Frau draufsteht?«
Der Verlust der Scham, glaubte Freud, gebiert Geistesschwäche. Das funktioniert wohl auch auf dem Felde des schamlos expandierenden allfällig allseitigen Worteschmadders. Der seit ca. 2003 wütende Slogan »Geiz ist geil«, wie er da noch den letzten »rudimentären sexuellen Impuls ökonomisiert« (Georg Seeßlen) – ob er auch von einer Frau stammt? Von jener Spezies, die seit einem Vierteljahrhundert wenig so gern im Mund hat wie die Vokabeln »Scheiß«, »Arsch«, »ficken« und »Wichser«, um derart kulturgeschichtlich weidliche Nachholarbeit im Sinne der Geschlechterparität zu leisten? Nein, die seit mindestens der Jahrtausendwende uns schreckende und offenbar sogar erfolgreiche Media-Markt-Werbung »Ich bin doch nicht blöd« – irgendwie tönt die doch wieder mehr nach einem besonders ordinären und, was ex contrario zu beweisen war, ganz und gar saudummen Sackträger; und auch die akute Sky-Radio-Plakatwerbung »Knick die alten Sender« (Jan. 2006), wie sie einerseits an das gloriose Vorbild »Deine Eltern werden kotzen« anzuknüpfen hofft, andererseits an die gute alte Chaoten-Order »Hau weg den Scheiß« – nein, allen dreien eignet, solange keine genaueren Daten vorliegen, etwas durchaus Bisexuelles.
Warum allerdings dann nicht noch besser: »Kack die alten Sender weg«?

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick