Inhalt der Printausgabe

Juli 2006


Humorkritik
(Seite 8 von 8)

Der Humor von Flandern
Die Rolle des Belgiers im Witzwesen ist – zumindest in den Augen der Nachbarn – klar: In Frankreich und Holland werden die Belgier so ähnlich gesehen wie in Deutschland die Ostfriesen. Aber natürlich können Belgier auch über sich selbst lachen und witzig sein. Als Beweis taugt der Film »Jeder ist ein Star« des flämischen Regisseurs Dominique Deruddere. Die Heldin des Films heißt Marva: ein Teenager, der gerne in die Fußstapfen von Madonna treten möchte, nur leider bringt Marva ungefähr zweieinhalb mal soviel Masse auf die Bühne wie ihr Idol. Und Marvas Gesang ist so grauslich, daß es in Anbetracht der überschaubaren Fähigkeiten des Vorbilds schon wieder eine Leistung ist. Größter und einziger Fan von Marva ist ihr Vater, der sich zudem für einen begabten Komponisten hält.
Nachdem Marva bei diversen Nachwuchswettbewerben gescheitert ist und der Vater auch noch seinen Job verliert, beschließt er in seiner Verzweiflung, die bekannteste Popsängerin des Landes zu entführen und so deren Manager zu zwingen, aus seiner dicken Tochter einen fetten Star zu machen. Der schmierige Manager ahnt, daß die Geiselnahme Publicity bringt, und läßt sich scheinbar auf die Forderung ein. Wer will, kann in »Jeder ist ein Star« einen sarkastischen Kommentar auf endemische Castingshows sehen, aber damit tut man dem Film unrecht: Gerade weil er nichts anderes macht, als eine schöne Idee sauber zu erzählen, funktioniert er. Und dabei hilft es natürlich sehr, daß man mit Eva van der Gucht eine Hauptdarstellerin mit echtem Mut zur Häßlichkeit hat.
Als »Jeder ist ein Star« vor ein paar Jahren herauskam, wurde der Film mit Preisen überhäuft und sogar für den Oscar nominiert. Etwaige Hoffnungen auf eine Karriere in Übersee erfüllten sich für Dominique Deruddere nicht. Seinen letzten Film »Bluthochzeit« drehte er in Deutschland. Dieses Werk blieb hinter den Erwartungen zurück, »Jeder ist ein Star« hingegen hat sich bis heute eine Fangemeinde bewahrt. Nun gibt es den Film endlich auf DVD. Einen Blick hinein empfehle ich dringend, auch wenn die Ausstattung leider alles andere als üppig ist.



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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt