Inhalt der Printausgabe
Juli 2006
Humorkritik (Seite 7 von 8) |
Krämers Töne und Steine |
Wenn einer, den Reich-Ranicki in den siebziger Jahren gelobt hat, anschließend karrieremäßig durchgestartet ist, lag das an der üppigen Wirkung des Starkritikers. Wenn einer, den ich mal gelobt habe, anschließend aufs fruchtbarste fortkommt, liegt’s kaum an dem Brislein Rückenwind, das ich ihm verschaffen konnte. Weshalb mich jede Bestätigung erfolgreicher Früherkennung doppelt freut. Wie der Werdegang des Klavierkabarettisten und Ex-Wunderkindes Sebastian Krämer, dessen ersten Tonträger ich vor guten zehn Jahren belobigt hatte. Seither hat der mittlerweile Dreißigjährige CD-Veröffentlichungen im beinah Jahresrhythmus folgen lassen (siehe www.sebastiankraemer.de) und sich gleichzeitig zum Geheimtip der deutschsprachigen Comedyszene sowie erfolgreichsten aller Poetry-Slammer ge-mausert; was mich aber weniger interessiert als die Tatsache, daß Krämers aktuelles Soloprogramm »Schule der Leidenschaft« tatsächlich großenteils lehrbeispielhaft genannt werden darf. Abwechslungsreichtum, der ohne optischen Schnickschnack allein auf bizarre Einfälle gründet: was schon das sprudelnde Wirken des Jugendlichen auszeichnete, findet sich heute abgerundet durch die gereifte Bühnenerscheinung eines Herrn, der nicht die Grenzen seines stimmlichen und darstellerischen Spektrums vorführt, sondern Referenzstücke vernachlässigter Genres, des qualitätvollen deutschen Schlagers etwa oder der klug argumentierenden Haßballade. Was diese Gattung betrifft, scheint Krämer mit »Die Welt braucht keine Jongleure« ein geradewegs hitverdächtiger Treffer gelungen zu sein. Noch eine Spur besser als dieser Ohrwurm gefällt mir der Slogan, mit dem Krämer selbst sein Werk charakterisiert: »Wie die Stones, nur eben mit Musik.« Doch, das trifft es. |
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 |