Inhalt der Printausgabe

Juli 2006


Humorkritik
(Seite 2 von 8)

Geiers Humorphilosophie
Mit dem Phänomen, »daß theoretische Texte über das Lachen i.a. nicht zum Lachen sind« (H. Mentz), daß vielmehr »jede Erklärung des Komischen das Lachen darüber tötet« (Jacques Le Goff), habe ich mich bereits des öfteren beschäftigt und dabei, u.a. im Fall des zitierten Le Goff (TITANIC 8/04), die obige These bestätigen müssen, weshalb es mir ein um so größeres Vergnügen ist, nun einen Fall anzuzeigen, auf den das Gegenteil zutrifft: Manfred Geiers »Kleine Philosophie des Humors. Worüber kluge Menschen lachen« (Rowohlt) ist zwar nicht komisch im eigentlichen, dafür aber witzig im ursprünglichen Witz-Wort-»Sinne von Verstand, Klugheit, Wissen und Weisheit«.
Meine Sympathie erwirbt sich Geier allein schon durch seine Beweisführung, daß kluge Menschen überhaupt lachen, denn – so Geiers Ausgangsthese – in der Philosophie galt Heiterkeit überwiegend als äbäh und wurde zugunsten einer auch in anderen, ach ja, eigentlich allen gesellschaftlichen Bereichen (Kirche, Erziehung, Politik, Feuilleton etc. pp.) dominierenden Diktatur des Bierernsthaften unterjocht, bei deren »Lachverbot« es – wie in Diktaturen üblich – letzten Endes um nix anderes als Macht ging und geht.
Das war mal anders, sagt Geier, denn am Anfang der Philosophiegeschichte stand neben dem humorfreien Platon der »lachende« und deshalb von den Deutungshoheiten der Disziplin ignorierte oder diskriminierte Demokrit, dem Lachen als Ausdruck von »Seelenheiterkeit« und Versöhnung mit den Mißlichkeiten des Lebens diente. Von Demokrit ausgehend flaniert Geier durch die Chronik der Philosophie: über Aristoteles, der Witz als »kultivierten Übermut« definierte, und Diogenes, dessen Lachen das des kritischen Spötters war, das human-versöhnliche Lachen der Aufklärung (man staune: auch Kant lachte!) bis zu den Lach-Analysen Freuds (den ich allerdings nach wie vor nicht komisch finden kann, woran Geiers Beispiele von »Freuds Lieblingswitzen« nichts ändern – im Gegenteil).
Im 20. Jahrhundert dann kein lachender Philosoph mehr, nirgends, allenfalls unfreiwillig komische wie freilich Heidegger; daß Geier am Ende Karl Valentin als »philosophischen Kopf« in den Zeugenstand zerrt, gehört zu den wenigen Urteilen des Buches, denen ich mich nicht anschließen mag, zumal Geier den unbegreiflichen Fehler macht, Valentin und sein Kunstfigur-Alter-Ego für identisch zu halten, und Unsinn schreibt wie »Gegen das Denken hat Valentin das Anschauen favorisiert« – ich dagegen denke, daß auch Valentin dachte.
Auch dürfte es doch mittlerweile als unverzichtbar gelten, die Frankfurter Schule und dann natürlich auch die uns wohlvertraute Neue Frankfurter Schule in einer kleinen Philosophie des Humors zumindest zu erwähnen – weiß der Geier, worin des Autors Blindheit gründet. Verdienstvoll jedenfalls, daß und wie (nämlich unterhaltsam, erbaulich und anhand zahlreicher mehr oder minder komischer Exempel) Geier die Theorien bündelt, warum und worüber kluge Menschen lach(t)en und wie das funktioniert. Mit seiner These, daß gute Witze und guter Witz (s.o.) aus derselben klugen Quelle sprudeln und eben gerade kluge Menschen lachen und lachen machen, rennt er bei mir und meinen Lesern natürlich offene Türen ein, steckt doch hinter jeder TITANIC-Ausgabe mindestens ein kluger Kopf, der nicht unter meinem Niveau zu lachen pflegt.





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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

Vermischtes

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Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg