Inhalt der Printausgabe

Januar 2006


Musik
Der Junge mit der Ziehharmonika
(Seite 3 von 3)

„Bei einem Mädchen mit schönen Fingernägeln weiß ich hundertprozentig, woran ich bin. Da habe ich mich noch nie geirrt“, sagt Florian Silbereisen und popelt in der Nase herum.
Vielleicht sind es Regeln wie diese, die seinem Leben Halt geben.
Eine große deutsche Boulevardzeitung hat sie einmal seine „fünf Jodelregeln“ genannt: Nur ein Tag, an dem du lachen kannst, ist ein guter Tag. Mach nur das, was dir wirklich Spaß macht! Sei nicht zu stolz, dir Geld zu leihen, aber sei zu stolz, es zurückzugeben. Auch andere Mütter haben schöne Fingernägel. Trenne nie st, denn es tut ihm weh!
Niemals könnte Florian Silbereisen ein st trennen. Er kann ja nicht einmal ein Ei trennen. Oder Musik von seiner. So schlecht ist er im Trennen, daß seine Eltern sich selber trennen mußten: „Nach über 30 Jahren ließen sich meine Eltern scheiden. Sie haben sich auseinandergelebt. Sie sind beide jung genug und haben eine zweite Chance verdient.“
Vielleicht kommt daher diese wilde Melancholie, die ihn umweht wie den Nübler Willi die Wolke aus Aquavit und Unterhose.
„Ich bin ein wilder, lustiger Kerl – und ich schäme mich nicht für die Volksmusik! Die jungen Leute lieben das doch auch!“ sagt Florian Silbereisen, dessen neues Video „Heut bums ma ois zamm“ bei MTV verlorengegangen ist. Sagt jedenfalls MTV.
Er haut fröhlich mit der Faust auf den Leberkäs, und es hört sich ein bißchen so an wie das Titelstück auf seinem 93er Album „I möcht mei Lebtag a Lausbua bleib’n“. Dann sagt er, als müsse er sich für etwas entschuldigen: „Ich mache gern Sport, spiele gern Tennis, geh Laufen und Schwimmen. Aber ich liege auch einfach mal gern auf der Couch, bestelle mir eine leckere Pizza und sitze drei, vier Stunden vor dem Fernseher und genieße den Tag. Aber wenn die Sonne scheint, hält mich nichts mehr im Haus!“
Draußen regnet es jetzt, und wir bleiben sitzen.
Die Menschen brauchen einen wie ihn. Einen, der fröhlich ist und Sport macht und sich auch gerne mal eine leckere Pizza bestellt. Den nichts mehr im Haus hält, wenn die Sonne scheint, und der Rezession nicht einmal buchstabieren kann.
Also, der es im Ernst nicht kann.
Ob er ein optimistischer Mensch ist?
„Ich bin ein optimistischer Mensch, der nur nach vorn schaut – nie zurück!“ sagt Florian Silbereisen und schaut nach vorn, wo der Nübler Willi dem Gschwendtner-Wirt unter großem Geschrei ein Bierglas auf den Kopf haut. „Ich bin sehr ehrgeizig, aber in gewisser Hinsicht auch ein bißchen schlampig und faul“, schreit Florian Silbereisen gegen den Tumult an. „Wenn mich jemand anlügt, dann geht gar nichts mehr. Das kränkt mich und tut mir weh.“
Florian Silbereisen holt ein Portemonnaie aus der senffarbenen Stretchfelljacke und winkt die Bedienung an den Tisch. Die Bedienung sagt: „So, des woarn ein Tee und ein Leberkäs, macht 100 Euro, bittschön!“
So was kränkt ihn dann, den Flori.




Silbereisen, Mutter: (von rechts)

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt