Inhalt der Printausgabe

Januar 2006


Brummen wo’s am schönsten ist:
Zuhause im Knast
TITANIC privatisiert den Strafvollzug und (fast) alle machen mit!
(Seite 2 von 7)


Klingelingeling, klingelingeling…


…hier kommt der Leiermann.
Fragen über Fragen. Aber wer kann sie beantworten? Helmut Kohl? Zu alt. Günther Jauch? Zu doof. Die Einwohner von Hünfeld, Kreis Fulda, in deren Gemeinde Kochs privater Top-Knast steht? Schon eher. Höchste Zeit also, wieder mal zu C&A zu fahren und dort rücksichtslos herabgesetzte Sportiv-Blousons und Baskenmützen zu kaufen, um hernach ca. wie Leute vom Wachschutz auszusehen; auch wenn die ihre Handschellen wahrscheinlich nicht im Gay-Shop kaufen. Blaues Hemd und rote Krawatte sind noch von irgendeiner anderen Aktion übrig – schon kann es in Thomas Gsellas postgelbem Familien-Lkw (58 PS) auf die Autobahn gehen, wo wir es uns hinter einem polnischen Lastwagen gemütlich machen und nach nicht einmal einem halben Tag am Rhönrand sind.
So ausgelassen die Stimmung auf der Fahrt ist (»Gsella ist doof!« – »Hahahaha!«), so ernst wird die Lage, als wir, in Hünfeld angekommen, erst einmal die hochmoderne Justizvollzugsanstalt ankucken, die von einem Konzentrationslager nur durch die brutalere Optik zu unterscheiden ist. Gleich nebenan sitzt die Gestapo, hoppla: Bundespolizei, die früher mal der Bundesgrenzschutz war, auf dem Parkplatz kauert drohend eine Phalanx Spähpanzer und Wasserwerfer. Vom Schießplatz knallt es. Beton und Himmel grau in grau, Schneereste gammeln wie dänisches Putenhack in der Wintersonne. Eins ist gleich klar: Wer hier herkommt, der lasse alle Hoffnung fahren, denn er ist verdammt auf immerdar und einwandfrei total im Arsch! In Windeseile »schießt« Sicherheitsfotograf Hintner ein paar Aufnahmen fürs Familienalbum, der Eiswind schneidet dicke Scheiben aus dem jackenlosen Jungösterreicher und Redaktionspraktikanten Jürgen Marschal, der heute den jugendlichen Rückfalltäter mimt, seine beiden Bewacher tragen die Unterhose lang und die Homohandschellen an der Gürtelschlaufe. »Stillhalten, Drecksau!« Security-Officer Nagel hat den berufstypischen Umgangston schon prima drauf, Security-Guard Gärtner sekun diert mit gezielten Tritten in die Kniekehlen: Roland Koch hätte seine Freude daran. Aber loswerden muß man das halbrasierte Wiener Würstchen (22) ja doch einmal, darum geht es jetzt stracks in die Innenstadt, wo wir die Anrainer auf das angebliche Pilotprojekt »Knast daheim« einstimmen wollen; erst einmal ohne den Jüngling, um die potentiellen Hobby-Schließer nicht gleich zu verschrecken.
Nur mit Ehegefängnisinsasse Hintner im Schlepptau geht das in der Billigbaumwolle gefärbte Security-Duo Gärtner/Nagel in die Hünfelder Lindenstraße und klingelt bei Herrn R., der Trainingsanzug trägt und sich entsprechend lustlos Nagels amateurhaft vorgetragenes, mit Ähs und Öhms gespicktes Sprüchlein anhört: »Guten Tag, wir sind von ProSeco. Das ist die private Sicherheitsgesellschaft, die die Justizvollzugsanstalt in Hünfeld betreibt. Sie wissen ja vielleicht, daß das ein Vorzeigeprojekt der hessischen Landesregierung ist: Die erste private JVA in ganz Deutschland. Wir machen gerade eine Studie für ein neues Modellprojekt und wollen herausfinden, ob man durch Privatisierung nicht noch mehr Arbeitsplätze schaffen kann: Unsere Idee ist, unsere Klienten tatsächlich privat unterzubringen. Haben Sie irgendeinen Raum, den Sie nicht nutzen? Eine Garage oder einen Keller?«


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Erwischt, Bischofskonferenz!

In Spanien haben sich Kriminelle als hochrangige Geistliche ausgegeben und mithilfe künstlicher Intelligenz die Stimmen bekannter Bischöfe, Generalvikare und Priester nachgeahmt. Einige Ordensfrauen fielen auf den Trick herein und überwiesen auf Bitten der Betrüger/innen hohe Geldbeträge.

In einer Mitteilung an alle kirchlichen Institutionen warntest Du nun vor dieser Variante des Enkeltricks: »Äußerste Vorsicht ist geboten. Die Diözesen verlangen kein Geld – oder zumindest tun sie es nicht auf diese Weise.« Bon, Bischofskonferenz, aber weißt Du, wie der Enkeltrick weitergeht? Genau: Betrüger/innen geben sich als Bischofskonferenz aus, raten zur Vorsicht und fordern kurz darauf selbst zur Geldüberweisung auf!

Hat Dich sofort durchschaut: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick