Inhalt der Printausgabe

August 2006


TITANIC Politik
Die Gesundheitsreform

(Seite 4 von 4)

Leser fragen, Experten antworten!
 
Mein Mann hat vierzig Jahre in der Diaspora gearbeitet. Vor drei Monaten feuerte sein depressiver Vorgesetzter versehentlich alle Mitarbeiter. Nun sind wir Hartz IV und müssen in eine kleinere Wohnung umziehen. Ein Umzugsunternehmen können wir uns schon nicht leisten, nun sollen auch die Medikamente teurer werden. Wie mein geliebter Mann bin ich streng katholisch und besuche regelmäßig die heilige Kirche unseres gütigen Herrn Jesus, aber in meinen Augen sind die Arschkröten da oben echt vollverwichst nach Ochsenscheiße stinkende Charakterschweineficker, Gott habe sie selig.
Amen.
 
Auf Anraten meiner Stiefeltern habe ich vor über dreißig Jahren mit dem Kettenrauchen begonnen, den versprochenen Lungenkrebs jedoch bis heute nicht. Nun möchte ich die zwei verklagen und würde gern wissen, welche Kasse die Anwaltskosten übernimmt.
AOK.
 
Die Behandlung selbstverschuldeter Krankheiten wie Knochenbruch nach Skiunfall oder Entzündungen nach Piercing sollen eventuell nicht mehr von der Krankenkasse übernommen werden. Aber wie ist es im Haushalt? Wenn ich beim Bodenwischen von der Leiter falle und dabei den laufenden Fön mit in die Wanne reiße, in der die Liebste grade badet – kriege ich dann schön geil Sterbegeld?
Abgeschafft.
 
Ich bin anderthalb und Wunderkind, schreibe Opernrezensionen für den New Yorker, dirigiere Neue Musik in der Tokio Opera und laufe die 10 000 Meter in drei Wochen – nein, war nur Spaß; in Wahrheit bin ich schon neun (Monate) und reime übrigens wie Atze Grünbein: Wie man in den Wald / hineinschallt / so schallt’s hinaus / aus. Leider bin ich ab und an noch richtig kindlich und finde Zähneputzen super uncool. Muß dieser Kleinbürgermist denn wirklich sein?
Yep.
 
Kein Sterbegeld also. Aber wenn ich mich von einer aidskranken Thai-Hure in deren ebolaverseuchter Wanne piercen laß, während sie auf verrosteten Skiern einen desolaten 5000-Watt-Fön balanciert, der dann leider doch ins verschimmelt brackige Badewasser rutscht und…
Wird bezahlt.
 
Ich bin Ölmagnat, Diamantengroßhändler und Bestsellerautor mit Einnahmen von etwa 34 Milliarden Dollar pro Tag und möchte Ihnen sagen, daß ich die derzeitige Aufregung nicht nachvollziehen kann. Es mag ja sein, daß eine obdachlose alleinerziehende Mutter von elf lungenkranken Kindern zukünftig noch schwerer durch den Winter kommt, aber mir geht es einfach hervorragend! Ich finde, in der ganzen Diskussion kommen wir extrem Superreichen viel zuwenig zu Wort, dabei würden grade wir die Stimmung heben – denn das Leben ist doch wirklich wunderschön!!!
Ja.
 
Mein Mann, 45, und ich, 41, sind seit 27 Jahren glücklich verheiratet, haben 4 Kinder und genießen dank Ehegattensplitting etwa 31 vH Steuerersparnis. So konnten wir uns vor 2 Jahren 1 Traumhaus kaufen (424 000 Euro), der Endpreis reduzierte sich dank Eigenheimzulage (42 000), Kinderzuschlag (16 000) und Angeboten der Landeskreditanstalt (LKA) auf effektive 269 864,98. Unsere Fixkosten für Immo, Renten, 2 Vans usw. summieren sich auf 25 683 plusminus 4 Winterreifen ja/nein, das macht auf der Habenseite abzgl. 1 Türkeiurlaub und Weihnachten dann streng kalkulierte 15 456, wobei…
Danke.
 
Für den Fall, daß Sie auch anonyme Zuschriften bringen: Ich bin SPD-Vorsitzender im falschen Körper und leide an Eßstörungen. Immer wenn ich einen Bach voller Lachse sehe, hüpfe ich hinein, fresse ihn leer und habe dann etliche Gräten im Maul, die während meiner Reden sukzessive rausplumpsen. Nun möchte ich mich in einen echten Braunbär umoperieren lassen, aber die TK will 20 000 auf die Kralle allein für die Eier stop: Eier allein für die Krallen. Haben Sie da einen Trip?
Tip?
Ja.
Nein.

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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Du, »Deutsche Welle«,

betiteltest einen Beitrag mit den Worten: »Europäer arbeiten immer weniger – muss das sein?« Nun, wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht, ewig und drei Tage überlegt, langjährige Vertraute um Rat gebeten und nach einem durchgearbeiteten Wochenende schließlich die einzig plausible Antwort gefunden. Sie lautet: ja.

Dass Du jetzt bitte nicht zu enttäuscht bist, hoffen die Workaholics auf

Deiner Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
18.04.2024 Berlin, Heimathafen Neukölln Max Goldt
18.04.2024 Hamburg, Centralkomitee Ella Carina Werner
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt