Inhalt der Printausgabe

April 2006


Humorkritik
(Seite 5 von 11)

Bartels Froschschenkelklopfer
Früher teilte man seine kleinen Erlebnisse und Gedanken den Kumpeln in der Kneipe oder der Familie beim Abendbrot mit, heute schreibt man gleich eine Humoreske darüber und stopft den Leser mit Alltagsgeschichten. Mit zu großem Geldschein bezahlen müssen, abends vor dem Fernseher einnicken, die lästige Frage: Was schenke ich bloß?, Leute, die nicht zuhören, Kellner, die das Falsche bringen… das kennt jeder; und je größer der Wiedererkennungswert, desto dicker die Banalität. »Neulich duschte ich und dachte, man müßte mal einen Text übers Duschen schreiben«, schreibt Humoreskenschreiber Mike Bartel und schreibt tatsächlich mal einen Text übers Duschen.
Von vollendeter Armseligkeit der Versuch, laue Themen dadurch aufzuheizen, daß er den Leser zunächst gründlich in die Irre führt (so schildert er zwei Seiten lang, wie »sie nervt«), bevor er ihn – ätschi bätschi, reingefallen! – ganz am Ende aufklärt (»sie« ist eine Fliege im Wohnzimmer, das ist das ganze Pointchen): Nun ja, bereits beim zweiten Mal ist der Wiedererkennungswert so groß, daß man sich verwundert fragt, woher Mike Bartel für seine »Komischen Geschichten zwischen hier und der Côte d’Azur« (so der auch recht abgeschabt wirkende Untertitel) den durchaus unbanalen Obertitel »Wie uns Froschschenkel die Orientierung erleichtern« hat.
Die Antwort steht drin, und eigentlich ist sogar sie ein bißchen banal. Aber weil Sie jetzt wahrscheinlich vor Neugier platzen, petze ich’s: »Zu den Froschschenkeln war es gekommen, weil ich mir prochaine sortie – also nächste Ausfahrt – nie habe merken können. Bei früheren Frankreichfahrten habe ich Belinda immer gefragt: ›Was heißt nächste? Prochaine, gell?‹ Darauf sie: ›Prochaine, gell? Prochaine, gell? Natürlich prochaine, gell!‹ So schnell gesprochen, hörte sich prochaine, gell‹ fast wie Froschschenkel an, und deshalb heißen die französischen Autobahnausfahrten seitdem für uns Froschschenkel.« Gut, das ist ein hübsches Wortspiel, aber Hand aufs Herz: Auch solche Witzchen kennt man inzwischen von zu Hause, und schreibt man deshalb gleich eine zwei Seiten lange Geschichte drüber?



    1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11   


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Überraschung

Avocados sind auch nur Ü-Eier für Erwachsene.

Loreen Bauer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt