Inhalt der Printausgabe

September 2005


Humorkritik
(Seite 5 von 8)

Top Gear

Wenig auf der Welt ist so genuin stumpfsinnig wie eine Autofahrersendung im Fernseh: Von den immergleichen Moderationsmaschinen werden bei immergleichen sog. Vergleichstests die immergleichen Beschleunigungswerte, Kofferraumvolumina und Höchstgeschwindigkeiten ermittelt, nur damit irgendein Kraftfahrzeug Sieger im Segment »Untere Mittelklasse« werden kann – prima Diätfernsehkost für einen verkaterten Regennachmittag also, wenn man nichts Intelligentes erträgt.
Daß die Briten, wie so oft, auch hier wieder ein ganzes Stück weiter sind, beweist Jeremy Clarksons ganz anders funktionierende Autoshow »Top Gear«, die in Deutschland via Satellit oder Kabel auf BBC World zu sehen ist. In kurzweiligen 25 Minuten geht es zwar auch um Autos und Vergleiche, aber diese lassen den ja gar nicht so nötigen Ernst meist vermissen: Da tritt z.B. ein Aston Martin DB5, vierzig Jahre nachdem er James Bond durch »Goldfinger« gefahren hat, noch mal gegen einen Jaguar E-Type an, und die Moderatoren prügeln die eminent teuren Vehikel bis an die Unfallgrenze über die Rennstrecke, nur um festzustellen, daß die noblen Hersteller damals bei Daten wie Lei-stung und Höchstgeschwindigkeit massiv geschummelt haben; ein andermal wird geprüft, ob man schneller mit einem Mercedeswagen und über Land in Oslo ist als mit der Fähre (mit dem Wagen, aber nur wegen schwerer See) bzw. ob’s rascher mit dem Flugzeug in die Schweiz geht oder eben doch mit dem Ferrari; oder es wird versucht, mit einem Kombi-Ford und einem fünffachen Überschlag ins Guinness-Buch der Rekorde zu kommen. Zu dieser automobilen Allotria paßt dann das erfreulich achtlos in eine nur notdürftig gestylte Halle gestellte Publikum, das die begeistert gewälzten Wettrennerlebnisse der Moderatoren mit demselben respektvollem Gegicker begleiten darf wie Grundschulkinder die Heldengeschichten der Pausenrabauken.
»This week, Jeremy declared himself dead, Richard tried to drown himself and James broke a speed limit«, informiert uns die Homepage, und auf dieser Spur zwischen lapidar ironisiertem Format und ganz eigentlichem, nämlich kindlichem Enthusiasmus fürs Spielzeug fährt die ganze Sendung. Das gefällt mir gut.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg