Inhalt der Printausgabe
November 2005
Eijne gute Gurke (Seite 4 von 5) |
Während meine Frau und ich uns auf den Rücksitz quetschen, beobachtet uns Antje durch das Küchenfenster. Das Ausdemfenstersehen ist eine alte holländische Tradition, eine Art Volkssport, der täglich mindestens eine Stunde betrieben werden muß. Morgens wacht der Holländer auf, dehnt und streckt sich und sieht erst einmal ein paar Minuten hinaus auf die Straße oder in den Garten hinter dem Haus, bevor er duschen geht. Nach dem Duschen wirft er einen langen Blick aus dem Badfenster und geht dann in die Küche, um Ausschau nach Pferden und Kühen auf der Weide zu halten, die Bushaltestelle zu beobachten oder einen Altglascontainer. Um auch vom Eßtisch oder Fernsehsessel aus freies Blickfeld zu haben, gibt es im ganzen Haus keine einzige Gardine, keinen Vorhang, keine Jalousie, nichts, was die Sicht beeinträchtigen könnte. Strengstens verboten ist es allerdings, von außen ins Haus hineinzusehen, damit niemand den Holländer beim Marihuanarauchen ertappen kann. Als bei unserem ersten Hollandbesuch mein Blick einmal zufällig in ein Küchenfenster fiel und auf eine Familie beim Kaffeetrinken, kam die Polizei und nahm mich vorübergehend fest. Ich verbrachte mehrere Stunden in einer Zelle (fensterlos) und mußte erst eidesstattlich versichern, zukünftig nicht mehr in Fenster hineinzusehen, bevor ich nach Hause gehen durfte. »Heijnrik ist gut gelaunt«, raunt mir meine Frau auf dem Weg zum Supermarkt zu. »Woran merkst du das?« Sein Gesicht ist nämlich stoisch unbewegt. »Seine Autofahrclogs klappern ›Drej kleijne Tulpenzwiibel‹ von Herman van Veen auf dem Kupplungs- und dem Bremspedal. Ein untrügliches Zeichen für gute Laune.« Auf dem Parkplatz zieht Heijnrik mit einem fröhlichen Ratsch! die Handbremse noch fester an, als sie ohnehin schon war. »Er scheint ja geradezu außer sich zu sein vor Vergnügen.« – »Ja, er hat ja auch einen ganz besonders guten Parkplatz erwischt!« Das stimmt: Heijnrik hat das Gespann quer über die ersten fünf Stellflächen direkt vor dem Ausgang des Supermarkts geparkt. »Ist das denn erlaubt?« wispere ich. »Nein, aber alle tun es. Holländer sind eben liberal!«
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