Inhalt der Printausgabe
Juni 2005
Humorkritik (Seite 7 von 8) |
Schaubühne als Anstalt |
Es wäre zum Lachen, wenn es nicht so ernst wäre: das Regietheater. Und das nicht erst seit den 60er Jahren, als viele deutsche Bühnen daran erkrankten; sondern die ersten Symptome zeigten sich bereits im 19. Jahrhundert, als Herzog Georg II. von Meiningen (1826–1914) allerlei krumme Ideen auf die Bühne zu bringen trachtete und mit seiner »Meiningerei« der Auffassung von der Inszenierung als einer vorgeblich eigenen Kunstform den Weg bahnte. Schon bald danach, in den 20er Jahren, kam das Regietheater dann richtig zum Ausbruch, wie dem erstmals 1931 erschienenen und 1961 wiederaufgelegten Buch von Levin L. Schücking über die »Soziologie der literarischen Geschmacksbildung« zu entnehmen ist. Darin berichtet Schücking von einem Wiener »Hamlet zwischen schwarzen Wänden, auf einem roten Fußboden, den der Zuschauer auch für den Friedhof ansehen mußte«, und beschreibt, wie »Leopold Jessner am Staatlichen Schauspielhaus in Berlin (1921) die Bühne grundsätzlich in eine Treppe verwandelte, Richard III. auf einer Treppe von Stockwerkhöhe nach einem Pferd schreien, Desdemona ihr Bett auf einer Treppe aufschlagen ließ«; er schildert, wie die Kritiker im selben Jahr von »einer Othello-Aufführung Jessners, bei der Jago in grüner Jägerjoppe, Othello in einem wallenden gelben Talar die unvermeidliche Treppe bevölkerten« begeistert waren, und beschreibt eine Aufführung von »Viel Lärm um nichts« in München, bei der »Hero und Beatrice im oberbayerischen Dirndlkostüm, aber mit roter bzw. grüner Perücke« auftraten, was zwar an ein Schwabinger Künstlerfest erinnert habe, »aber natürlich ist man weit davon entfernt, in Wirklichkeit parodieren zu wollen.« Mit Staunen mußte Schücking den ahnungslosen Ernst bei dem ganzen Theater registrieren: »Je grotesker das Unternehmen, desto feierlicher die Amtsmiene des berufsmäßigen Kritikers.« Nun geriet die Kunst damals überhaupt auf schiefe Wege, und was auf der Bühne geschah, trug sich ähnlich in Lyrik, Malerei und vielleicht weiteren Gattungen zu, die sich von der Naturnachahmung hin zur unfreiwilligen Komik bewegten. Oder wie es Schücking schon vor über siebzig Jahren über das Regietheater von heute sagte: »Durch das beständige Experimentieren mit neuen Ausdrucksmöglichkeiten ist man am Ende zur Karikatur gelangt, ohne sich dessen bewußt zu sein oder es wahrhaben zu wollen.« Am Ende? Zeit wär’s! |
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