Inhalt der Printausgabe
Juli 2005
Humorkritik (Seite 6 von 9) |
Komiker Kafka |
Wer Kafka liest, hat was zu lachen. Nicht nur ist z. B. der "Prozeß" gesteckt voll von mit ernstester Miene geschilderten komischen Begebenheiten und Charakteren, rappelvoll von Vorfällen lustiger Peinlichkeit; nicht nur strotzen viele Erzählungen von absurdem Humor, ob da ein promoviertes Pferd namens "Dr. Bucephalus" als Advokat arbeitet oder der Meeresgott Poseidon über den Abrechnungen betr. die Verwaltung aller Gewässer brütet und vor lauter Arbeit nicht dazu kommt, einmal die Meere zu sehen: "Er pflegte zu sagen, er warte damit bis zum Weltuntergang, dann werde sich wohl noch ein stiller Augenblick ergeben, wo er knapp vor dem Ende nach Durchsicht der letzten Rechnung noch schnell eine Rundfahrt werde machen können." Aber daß Kafka nicht nur ein Ernstler, sondern auch ein Groteskler war, hat sich inzwischen wohl herumgesprochen. Weniger bekannt sind vielleicht Kafkas aphoristische Aufzeichnungen, die er als "Paralipomena" in seine "Oktavhefte" hineinkritzelte oder als "Fragmente aus losen Heften und Blättern" hinterließ. Keimzellen großer Komik finden sich da, z. B. diese Skizze: "Der Neger, der von der Weltausstellung nach Hause gebracht wird und, irrsinnig geworden von Heimweh, mitten in seinem Dorf unter dem Wehklagen des Stammes mit ernstestem Gesicht als Überlieferung und Pflicht die Späße aufführt, welche das europäische Publikum als Sitten und Gebräuche Afrikas entzückten." Oder im kürzesten Reporterstil diese Miniaturgeschichte: "Der Kampf mit der Zellenwand. Unentschieden." Vieles bei Kafka kann man natürlich ernst nehmen, aber man muß schon sehr wenig Sinn für Humor haben, um Kafka nichts als nur ernst zu nehmen. "Leoparden brechen in den Tempel ein und saufen die Opferkrüge leer; das wiederholt sich immer wieder; schließlich kann man es vorausberechnen, und es wird ein Teil der Zeremonie": Wie in dieser Minimalerzählung liegen Ernst und Spaß oft nah, manchmal ununterscheidbar beieinander. Wer also nicht schon vorher wissen will, ob etwas komisch ist, und zu seiner eigenen Überraschung lachen will, ist bei Kafka richtig. Und liest beispielsweise, wie die eigenen zwei Hände einen erbitterten Ringkampf miteinander austragen: "Meine zwei Hände begannen einen Kampf. Das Buch, in dem ich gelesen hatte, klappten sie zu und schoben es beiseite, damit es nicht störe. Mir salutierten sie und ernannten mich zum Schiedsrichter. Und schon hatten sie die Finger ineinander verschränkt und" - aber lesen Sie doch selber! |
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