Inhalt der Printausgabe

Juli 2005


Humorkritik
(Seite 4 von 9)

Kapielski
Thomas Kapielski ist ein komischer Autor sui generis, wie wir ergrauten Altphilologen zu sagen pflegen. Das hat er mit seinen charmant plaudernden, wortverspielten Büchern von "Aqua botulus" bis zu den "Gottesbeweisen" "amtlich" (Rock Hard) unter Beweis gestellt, wie wir angehenden Kriminalhauptkommissare zu protokollieren pflegen. Kapielski, dem wir die meiner geringen Meinung nach schlüssigsten Invektiven gegen den vermaledeiten Schwindel des modernen Kunstbetriebs sowie einige höchst kenntnisreiche Elogen aufs Bier verdanken, ist als komischer Autor und ausgezeichnet unaufgeregter Vortragender und Diashowentertainer in dieser Tripelgestalt zugleich auch noch serieller Photograph, sensitiver Musiker, beinharter Geograph und altphilologisch gebildeter Dozent (z. Zt. a. D.). Und Kapielski ist, was die wenigsten, die sich so nennen, sind: ein Philosoph.
Drei Jahre nach dem dicken Journal "Sozialmanierismus - Je dickens destojewskij!" ist bei Merve ein neues, schmales Diarium erschienen, in dem sich Kapielski mit "Denkwürdigkeiten 2002 bis Sommer 2004" beschäftigt. "Weltgunst" ist, ich darf das so ungeschützt herausbölken, schlicht und ergreifend ein weises Buch, das nicht nur mich des öfteren an Lichtenberg erinnerte und durch seine gedankliche Strenge regelrecht betört hat. Ja, "Weltgunst", ein Konvolut aus Tagebucheinträgen, Meditationen, vereinzelten Gedichten, Kurzprosa und Aphorismenartigem, durchweht weitenteils jener Geist der Verzweiflung und Aufklärung, der angesichts der täglich forcierten Weltdummheit zugleich aufputschend und kalmierend zu wirken vermag - wie ein milder, klarer Brand, wie wir Schnapsvernichter zu ächzen pflegen.
Sammelte man unter Kollegen und spendierte ihm dann eine Leibrente, gibt Thomas Kapielski manchmal zu verstehen, er täte nichts lieber, als das Schreiben sofort einzustellen und Platz zu machen für andere. Knauserig, wie ich bin, muß ich ihm sein konjunktivisches Ansinnen abschlägig bescheiden und zum Imperativ greifen: Kapielski! Weiterschreiben! Denn wenn er sich auch zu Recht mißverstanden sieht, sofern man ihn ausschließlich als Autor komischer Texte und eben nicht genausosehr als, meinethalben, Schopenhauer unserer Zeit wahrnimmt, dem es bitterernst um den Welt- und den eigenen Zustand zu tun ist, auf seine Miniaturen, in denen sich die Katastrophe mit der Komik kreuzt, möchte ich verflucht noch mal nicht verzichten - wie, um mein Lobgeschrei jetzt zügig abzuwürgen, beispielsweise auf diese nicht: "Schwer erklärbare Kinder. Damit seine Stimme tiefer klingt, hat sich ein junger Mann regelmäßig Reinigungsspray für Rechnertastaturen in den Schlund gesprüht; er verstarb an einer Lungenembolie und liegt nun, ich wünschte in Frieden, um etliche Oktaven tiefer."


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Ziemlich beunruhigt, Benjamin Jendro,

lässt uns Ihr vielzitiertes Statement zur Verhaftung des ehemaligen RAF-Mitglieds Daniela Klette zurück. Zu dem beeindruckenden Ermittlungserfolg erklärten Sie als Sprecher der Gewerkschaft der Polizei: »Dass sich die Gesuchte in Kreuzberg aufhielt, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Berlin nach wie vor eine Hochburg für eine gut vernetzte, bundesweit und global agierende linksextreme Szene ist.«

Auch wir, Jendro, erkennen die Zeichen der Zeit. Spätestens seit die linken Schreihälse zu Hunderttausenden auf die Straße gehen, ist klar: Die bolschewistische Weltrevolution steht im Grunde kurz bevor. Umso wichtiger also, dass Ihre Kolleg/innen dagegenhalten und sich ihrerseits fleißig in Chatgruppen mit Gleichgesinnten vernetzen.

Bei diesem Gedanken schon zuversichtlicher: Titanic

 Du, »Brigitte«,

füllst Deine Website mit vielen Artikeln zu psychologischen Themen, wie z. B. diesem hier: »So erkennst Du das ›Perfect-Moment -Syndrom‹«. Kaum sind die ersten Zeilen überflogen, ploppen auch schon die nächsten Artikel auf und belagern unsere Aufmerksamkeit mit dem »Fight-or-Flight-Syndrom«, dem »Empty-Nest-Syndrom«, dem »Ritter-Syndrom« und dem »Dead- Vagina-Syndrom«. Nun sind wir keine Mediziner/innen, aber könnte es sein, Brigitte, dass Du am Syndrom-Syndrom leidest und es noch gar nicht bemerkt hast? Die Symptome sprechen jedenfalls eindeutig dafür!

Meinen die Hobby-Diagnostiker/innen der Titanic

 Wussten wir’s doch, »Heute-Journal«!

Deinen Bericht über die Ausstellung »Kunst und Fälschung« im Kurpfälzischen Museum in Heidelberg beendetest Du so: »Es gibt keine perfekte Fälschung. Die hängen weiterhin als Originale in den Museen.«

Haben Originale auch schon immer für die besseren Fälschungen gehalten:

Deine Kunsthistoriker/innen von der Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg