Inhalt der Printausgabe

Juli 2005


Humorkritik
(Seite 3 von 9)

Schillerstraße
Ewig wird es mir schleierhaft und wolkig bleiben, was Menschen - und es sind kaum die guten - dazu treibt, die im Wochentakt auf Sat.1 verklappte angebliche "Improvisations-Comedy" namens "Schillerstraße" komisch zu finden, zum Schreien gar, zum Gak-kern und zum Brüllen. Die bare, bloße, blöde Verzweiflung muß es sein. Mit anderen Worten: die pure Begeisterung darüber, daß einer, dem per Knopf im Ohr mitgeteilt wird, daß ihm nun schlecht werde, dann sagt: "Oh, mir wird schlecht." Riesenlacher. Nicht zu fassen. Er hat's eingesagt gekriegt und dann hat er's selbst gesagt. Funktioniert wirklich. Absolut irre. Ein Wunder. Applaus. Daß die ja vielleicht tatsächlich auch bisweilen reizende Cordula Stratmann mit dem in Köln nicht mehr vermeidbaren Comedy-Gschwerl planlos herumeiert - meinetwegen. Daß man als Einsager den immens drögen und spektakulär fehlbesetzten Georg "Carsten" Uecker gewählt hat, an dessen Stelle man jedesmal von neuem vor Scham aus dem Fenster springen möchte, wenn er abermals aus lauter Begeisterung über die tatsächliche Umsetzung seiner geistlosen Befehle ("Dir wird schlecht") verzückt in die Händchen patscht - schon schlimmer. Daß dies alles in einer wie vom nackten Wahnsinn aufgepeitschten Kindergeburtstagsatmosphäre verrichtet wird - das muß wohl so sein.
Freilich könnte Improvisationstheater mit Einsage auch zur Komik neigen. Wenn etwa inmitten einer realen Theatersituation ein Ferngesteuerter fungierte, von dessen Funktion seine Mitspieler nichts ahnen - so daß dessen irrelevantes Handeln für alle und für ihn selbst echte Konsequenzen hätte; wenn andere aus ihren Rollen ausbrechen oder dies gerade zu verhindern suchen würden; wenn man sich an der Irritation der anderen und der vermeintlich kippenden Situation delektieren könnte. Ja dann, sagt Mentz!
Wenn aber das plumpe Kreuzundquergeblödel in der häßlichen Schillerstraßenwohnung keinerlei Folgen, gar Konsequenzen hat, weil hier eh jeder immer alles und auch das Gegenteil machen kann - dann gibt's auch keine Reibung, kein Gefälle, keine Komik. Und so bleibt das einzig tatsächlich Lächerliche die rätselhafte und wie ein göttlich mahnender Fingerzeig im Kulissen-Buchregal vor sich hin gammelnde Biographie des pensionierten britischen Polit-Langweilers John Mayor. Wahrscheinlich die Lieblingslektüre von Georg Uecker.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Ach, Taube,

Ach, Taube,

die Du in Indien wegen chinesischer Schriftzeichen auf Deinen Flügeln acht Monate in Polizeigewahrsam verbracht hast: Deine Geschichte ging um die Welt und führte uns vor Augen, wozu die indische Fashion-Polizei fähig ist. Aufgrund Deiner doch sehr klischeehaften Modetattoos (chinesische Schriftzeichen, Flügel) fragen wir uns aber, ob Du das nicht alles inszeniert hast, damit Du nun ganz authentisch eine Träne unter dem Auge oder ein Spinnennetz auf Deinem Ellenbogen (?) tragen kannst!

Hat Dein Motiv durchschaut: Titanic

 Gude, Fregatte »Hessen«!

Du verteidigst Deutschlands Demokratie zur Zeit im Roten Meer, indem Du Handelsrouten vor der Huthi-Miliz schützt. Und hast schon ganz heldenhaft zwei Huthi-Drohnen besiegt.

Allerdings hast Du auch aus Versehen auf eine US-Drohne geschossen, und nur einem technischen Fehler ist es zu verdanken, dass Du nicht getroffen hast. Vielleicht ein guter Grund für die USA, doch nicht auf der Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels zu beharren!

Doppelwumms von Titanic

 Sie, Victoria Beckham,

Sie, Victoria Beckham,

behaupteten in der Netflix-Doku »Beckham«, Sie seien »working class« aufgewachsen. Auf die Frage Ihres Ehemanns, mit welchem Auto Sie zur Schule gefahren worden seien, gaben Sie nach einigem Herumdrucksen zu, es habe sich um einen Rolls-Royce gehandelt. Nun verkaufen Sie T-Shirts mit dem Aufdruck »My Dad had a Rolls-Royce« für um die 130 Euro und werden für Ihre Selbstironie gelobt. Wir persönlich fänden es sogar noch mutiger und erfrischender, wenn Sie augenzwinkernd Shirts mit der Aufschrift »My Husband was the Ambassador for the World Cup in Qatar« anbieten würden, um den Kritiker/innen so richtig den Wind aus den Segeln zu nehmen.

In der Selbstkritik ausschließlich ironisch: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Dünnes Eis

Zwei Männer in Funktionsjacken draußen vor den Gemüsestiegen des türkischen Supermarkts. Der eine zeigt auf die Peperoni und kichert: »Hähä, willst du die nicht kaufen?« Der andere, begeistert: »Ja, hähä! Wenn der Esel dich juckt – oder nee, wie heißt noch mal der Spruch?«

Mark-Stefan Tietze

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
19.04.2024 Wuppertal, Börse Hauck & Bauer
20.04.2024 Eberswalde, Märchenvilla Max Goldt
20.04.2024 Itzehoe, Lauschbar Ella Carina Werner
24.04.2024 Trier, Tuchfabrik Max Goldt