Inhalt der Printausgabe

Februar 2005


Humorkritik
(Seite 4 von 7)

Eine Verkürbissung
Das Beste an den antiken Komikautoren ist ihr Ruf; sie zu lesen, schadet ihm meistens. Andererseits genügt es, wenn von einem Autor nur der große Name übrigbleibt und die Nachgeborenen bewegt, ebenfalls nach Ruhm und Meisterschaft zu streben. Das Werk selbst aber taugt in der Regel nur zur Grundlagenforschung - so wie beispielsweise die Epigrammschreiber im 17. und 18. Jahrhundert an Martial & Co. ihre Fähigkeit zur Kürze, Schärfe und überraschenden Schlußwendung ausbildeten; und wenn sich auch das Sinngedichtgebastel als totes Gleis erwies, so war das Gelernte doch später für die Kunst der Pointierung von Anekdoten und Witzen hilfreich.
Wer würde da also hoffen, daß der stoische Philosoph Seneca auch ein begabter Satiriker war? Nun, ich wagte es zu hoffen, als mir eines seiner Bücher in die Hände fiel, das den erstaunlichen Titel trägt: "Die Verkürbissung des Kaisers Claudius". Das ist ein schönes Wort, bei dem mein Gehirn im Kopf herumzurollen begann, aber bevor auch Sie jetzt ihren Kopf verkürbissen: Tatsächlich meint es nichts anderes als "Veräppelung".
Die Hoffnung, hier ein antikes komisches Talent entdeckt zu haben, trog nicht. Vorbildlich respektlos berichtet Seneca über den Tod des ihm verhaßten Kaisers, der am 13. Oktober 54 n. Chr. "seine Seele ausblubberte" und damit sein "Scheindasein" beendete - gut fängt die Polemik an, und gut geht sie weiter: "Die letzten Laute übrigens, die man unter Menschen von ihm vernommen hatte - nachdem er gerade aus jenem Körperteil, mit dem er sich stets leichter zu äußern verstand, einen stärkeren Ton hatte entfahren lassen - waren folgende: ›Oje, ich glaube, ich habe mich beschissen.‹ Ob er es wirklich getan hat, weiß ich nicht; sicher ist nur, daß er alle Welt beschissen hat."
Der Nachwelt bekannt geblieben ist Kaiser Claudius als debiler und grausamer Despot. Wie es sich für den Satiriker ziemt, ist Seneca das nicht Anlaß zur Moralpredigt, sondern zum Witzereißen - und er erledigt nicht nur diesen speziellen Kaiser, sondern nebenbei auch das Kaisertum schlechthin: "In ein und demselben Haus ließ er Crassus, Magnus und Scribonia umbringen, die zwar alle keinen roten Heller wert waren, aber immerhin alter Adel, ja Crassus war obendrein sogar solch ein Trottel, daß auch er hätte Kaiser sein können!"
Senecas philosophische Briefe liest man bis heute - dieses hübsche kleine Werk nicht. Obwohl ein paar Auszüge bereits genügten. So wie hier.


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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Grunz, Pigcasso,

malendes Schwein aus Südafrika! Du warst die erfolgreichste nicht-menschliche Künstlerin der Welt, nun bist Du verendet. Aber tröste Dich: Aus Dir wird neue Kunst entstehen. Oder was glaubst Du, was mit Deinen Borsten geschieht?

Grüße auch an Francis Bacon: Titanic

 Nicht zu fassen, »Spiegel TV«!

Als uns der Youtube-Algorithmus Dein Enthüllungsvideo »Rechtsextreme in der Wikingerszene« vorschlug, wären wir fast rückwärts vom Bärenfell gefallen: In der Wikingerszene gibt es wirklich Rechte? Diese mit Runen tätowierten Outdoorenthusiast/innen, die sich am Wochenende einfach mal unter sich auf ihren Mittelaltermärkten treffen, um einer im Nationalsozialismus erdichteten Geschichtsfantasie zu frönen, und die ihre Hakenkreuzketten und -tattoos gar nicht nazimäßig meinen, sondern halt irgendwie so, wie die Nazis gesagt haben, dass Hakenkreuze vor dem Nationalsozialismus benutzt wurden, die sollen wirklich anschlussfähig für Rechte sein? Als Nächstes erzählst Du uns noch, dass Spielplätze von Kindern unterwandert werden, dass auf Wacken ein paar Metalfans gesichtet wurden oder dass in Flugzeugcockpits häufig Pilot/innen anzutreffen sind!

Nur wenn Du versuchst, uns einzureden, dass die Spiegel-Büros von Redakteur/innen unterwandert sind, glauben Dir kein Wort mehr:

Deine Blauzähne von Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg