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Betriebsrat Mark-Stefan Tietze fürchtet, daß die angekündigten Sparmaßnahmen erst der Anfang sind: »Jeder ökonomisch denkende Mensch wird schnell erkennen, daß in diesem Laden unerhörtes Sparpotential steckt, Betriebsrat hin oder her. Was Rürup zum Beispiel allein an Porto klaut, um nichtgelesene Rezensionsexemplare bei Amazon zu verscheuern! Außerdem ist die Kaffeemaschine den ganzen Tag an, anstatt daß mal jemand den Kaffee in die Thermoskanne füllt.«
Vor einem Wort fürchtet sich die Redaktion dabei am meisten: Frühaufstehen. Aber auch das angekündigte Outsourcing bereitet der Belegschaft schlaflose Nächte. Zeitunglesen, Artikelangebote prüfen, Tietzes Texte schreiben – alles Dinge, die sich auch von Schülerpraktikanten erledigen lassen. Die Redakteure sollen sich ab sofort aufs Kerngeschäft konzentrieren: Lifestyle-Satire für Leute, die nicht so gerne lesen. »Wir wollen aktive Lebenshilfe bieten: die ironischsten Sportwagen, die zynischsten Urlaubsziele, die menschenverachtendsten Restaurants. Der Leser will wissen: Wo bleibt mir das Lachssoufflé im Halse stecken?« Altmeister Eckhard Henscheid hat bereits den Auftrag, über die Herstellung von leckerem Champagner und die hohen Qualitätsmaßstäbe bei Moët&Chandon zu berichten – streng neutral, versteht sich. Denn journalistische Qualität soll unter Gsella oberste Priorität haben.
Doch die Redakteure bleiben skeptisch. »Früher Straßenmusikant, heute den dicken Max machen«, sagt Spottredakteur Stefan Gärtner, der nicht genannt werden will. »Die meisten Texte von Gsella sind doch völlig frei erfunden! Erinnern Sie sich noch an den, wo angeblich der Dalai Lama in der Redaktion war? Ich sage Ihnen was: gelogen!« Und ein Kollege, der nicht wörtlich zitiert werden will, ergänzt: »Er vernachlässigt einfachste journalistische Grundsätze. Erfolgszeilen wie ›Eine Hose ist eine Hose ist eine Hose‹ oder ›Du mußt dein Leben ändern‹, die sind gar nicht von ihm! Ohne daß er die Quellen je kenntlich gemacht hätte.«
Doch Gsella hat auch Erfolge vorzuweisen: Die Aschaffenburger Privatbrauerei Schlappe-seppel hat er praktisch im Alleingang saniert, ebenso einen Tabakwarenhändler an der Bockenheimer Warte; von seinem HNO-Arzt zu schweigen. Gsella gilt in der Branche als durchsetzungsfähig, kommunikativ und unrasiert – Eigenschaften, mit denen er auch im scherzkonservativen Frankfurter Satire-milieu punkten will. Bis Anfang 2007 will er die Umsatzrendite auf 0,2 Prozent verdoppeln, danach das Blatt an die Börse bringen. Aber dazu muß er erst mal weg vom Gemischtwarenladen, hin zum fokussierten Global Player: »Oneliner, Polemik, Stil- und Anzeigenparodie, Humorkritik, Fotoroman, Bildwitze – das Blatt hat sich in den letzten Jahren einfach zu stark diversifiziert. Was ich will, ist Satire aus einem Guß in den Kernbereichen Scherzgedicht und Impressum.« Definitiv abgeschafft werden die Rubriken »Hausmitteilung«, »Mit Pit Knorr durchs Jahr« und »Kochen mit Salz«, verjüngt wird die angestaubte Humorkritik: Hier wird der kaum noch zeitgemäße Hans Mentz durch den vifen Oliver Pocher ersetzt, mit dem Gsella die kaufkräftigen Leser zwischen zwölf und dreizehn erreichen will.
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