Inhalt der Printausgabe

Dezember 2005


Platzeck kommt
Stoiber geht


(Seite 5 von 6)

Als Edmund Stoiber im Vatikan mit einer Abordnung von CSU-Granden dem bayerischen Papst seine Aufwartung machte, verblüffte Benedikt XVI. den Wolfratshausener mit einem denkwürdigen Satz: »Staub bist du, und zu Staub kehrst du zurück. Mei, wo ich doch diese Allergie hab’, tschua!«
Das launige Memento mori des Joseph Ratzinger wird Edmund Stoiber in den Ohren geklungen haben. Der Mann, der schon fast so legendär wie sein Ziehvater Franz Josef Strauß war, der Mann, der bei der letzten bayerischen Landtagswahl für seine CSU eine sagenhafte Vierfünftelmehrheit einfuhr, der Mann, der als einziger CSU-Politiker eine Parteikarriere zuwege brachte, ohne je im Vollrausch Auto gefahren zu sein – diesem Mann dämmert nun, daß seine Zeit vorbei ist.
Im kleinen Kreis hat er über den wahren Grund seines plötzlichen Rückzugs gesprochen, und eigentlich war niemand im Ernst überrascht. Daß er, Stoiber, mit ihr, Merkel, nicht kann, es war ja stets zu klar gewesen. Niemanden hat er je neben sich geduldet, von dem echte Konkurrenz zu erwarten gewesen wäre, und ein erster Glücksfall, daß es in der Volksschule von Oberaudorf wie später im Rosenheimer Gymnasium keine blitzgescheiten Juden mehr gab; und Stoiber also glänzen konnte. Wie später als Aktenträger und horribile dictu Bor- oder wenigstens Blödmann seines Chefs Strauß, dem er das Fallbeil und den Beißer machte, der durchrassten oder wenigstens durchrussten Gesellschaft zu wehren; und dafür dann, nachdem der allzu xenophile und deshalb zu Recht untragbare »Amigo« Streibl aus dem Amt getrieben, auch ganz logisch den Nachfolger geben durfte und pater bavariam; oder jedenfalls -riae.
Und was hatte ihn, Stoiber, der Weg dahin gekostet! Die besten Jahre hatte er hingegeben über irgendwelchen Scheißakten betreffs lokaler Ökostauseen und Homokasernierung und Länderfinanzqueckquack, war spät und immer später nach Hause gekommen und mußte zum pflichtgemäßen Kinderzeugen auf den Sonntagmorgen ausweichen, noch vor dem Kirch- und sogar Stuhlgang; und jetzt, plötzlich, der Sessel in der Staatskanzlei war eben erst warmgesessen und M. Söder gottlob noch nicht einmal recht schambehaart, kam da eine Kuh aus Mitteldeutschland, kam eine Protestantin aus dem nichtkapitalistischen Wirtschaftsgebiet daher, hatte dieselbe outfitferne Aura wie Stoiber selber und schaffte sich in Rekordzeit hoch; und lud ihn, E. Stoiber, dann irgendwann zum Frühstück ein. Und machte ihn zum Kanzlerkandidaten!
Verziehen hat er’s ihr nie. Denn ohne Merkels Machtwort bzgl. seiner, Edes, Kanzlerkandidatur hätte er, Stoiber, es im nullzweier Jahr ja nicht gar so knapp vergeigen müssen, sondern hätte die Zonale schön gegen Flutkanzler Schröder untergehen lassen können; und sich heuer von den Flintenweibern in Berlin nicht zum Narren halten lassen brauchen.


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Hey, »Zeit«,

Deine Überschrift »Mit 50 kann man noch genauso fit sein wie mit 20«, die stimmt vor allem, wenn man mit 20 bemerkenswert unfit ist, oder?

Schaut jetzt gelassener in die Zukunft:

Deine Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Lustiger Zufall, »Tagesspiegel«!

»Bett, Bücher, Bargeld – wie es in der Kreuzberger Wohnung von Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette aussah«. Mit dieser Schlagzeile überschreibst Du Deine Homestory aus Berlin. Ha, exakt so sieht es in unseren Wohnungen auch aus! Komm doch gern mal vorbei und schreib drüber. Aber bitte nicht vorher die Polizei vorbeischicken!

Dankend: Titanic

 Wie bitte, Extremismusforscher Matthias Quent?

Im Interview mit der Tagesschau vertraten Sie die Meinung, Deutschland habe »viel gelernt im Umgang mit Hanau«. Anlass war der Jahrestag des rassistischen Anschlags dort. Das wüssten wir jetzt aber doch gern genauer: Vertuschung von schrecklichem Polizeiverhalten und institutionellem Rassismus konnte Deutschland doch vorher auch schon ganz gut, oder?

Hat aus Ihren Aussagen leider wenig gelernt: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 No pain, no gain

Wem platte Motivationssprüche helfen, der soll mit ihnen glücklich werden. »There ain’t no lift to the top« in meinem Fitnessstudio zu lesen, das sich im ersten Stock befindet und trotzdem nur per Fahrstuhl zu erreichen ist, ist aber wirklich zu viel.

Karl Franz

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

 Bilden Sie mal einen Satz mit Distanz

Der Stuntman soll vom Burgfried springen,
im Nahkampf drohen scharfe Klingen.
Da sagt er mutig: Jetzt mal ehrlich –
ich find Distanz viel zu gefährlich!

Patrick Fischer

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg