Terry Gilliam hatte immer schon Einfälle, die auf eine skurrile, absurde oder groteske Art komisch wirken wollten. Im Rahmen seiner Arbeit mit Monty Python ließ man sich seine graphischen Trenner zwischen den Sketchen gerne gefallen. Auch als Co-Regisseur von Filmen wie »The Life of Brian« störte Gilliam die Arbeit des Ensembles kaum.
Wie Gilliams eigene Vorstellungen aussahen, wurde erst nach dem Ende der Python-Ära in den achtziger Jahren klar. Besonders lobenswert fanden viele Kritiker »Brazil« von 1985, eine Collage von Motiven, die literarisch auf Kafka, Orwell, Borroughs u.a. zurückgingen. Auch »Fisher King« und »Twelve Monkeys« waren zumindest Kritikererfolge.
Ich muß zugeben, daß mir seine auf ein jüngeres und damit größeres Publikum zielenden Filme wie »Time Bandits« oder »Münchhausen« in Teilen besser gefallen haben. »Fear and Loathing in Las Vegas« war insofern ein Glücksfall, als die chaotische Erzählweise Gilliams sprunghafter Assoziationsmethode eher entgegen kam, zumal die literarische Vorlage schon als dreiste Drogenphantasmagorie angelegt war. Das Scheitern seiner »Don Quichote«-Verfilmung wurde keineswegs Gilliam angekreidet, sondern trug zu seinem Ruf als unbequemer, unbeugsamer, unangepaßter Kultregisseur noch bei. Mit »The Brothers Grimm« hat Gilliam diesen nun vollendet – leider, muß ich sagen.
Schon die Promotion-Interviews ließen nicht unbedingt Gelungenes erwarten. Gilliam selbst schien sein Produkt nur bedingt zu gefallen, angeblich hatte er alles Mögliche getan, um aus einem reinen Horrordrehbuch etwas Ansehnliches zu machen. Das Ergebnis seiner Veredlungsbemühungen freilich straft alle Vorurteile Lügen – er hat alles nur schlimmer gemacht.
Gerade sein Hang zum Höheren wird Gilliam zum Verhängnis. Statt sich auf einen sauberen Genrefilm zu beschränken, überfrachtet er die Geschichte mit diversen Ambitionen: Auf allen Ebenen soll erzählt werden, wie die Prinzipien von Realität und Phantasie aufeinanderprallen. Ein Konflikt, den auf der menschlichen Ebene die Brüder Jakob und Wilhelm Grimm selbst versinnbildlichen sollen, was u.a. daran scheitert, daß beide von grimassierenden Darstellern verkörpert werden, die allenfalls für Naßforschheit und Begriffsstutzigkeit stehen könnten; flankiert übrigens von mehr oder minder überflüssigen Knallchargen, die schon durch knüppeldick aufgesetzte Akzente ihren unbedingten Willen zur Karikatur bis zum Überdruß demonstrieren.
Historisch muß die Situation der im magischen Denken befangenen deutschen Bevölkerung unter rational gesinnten französischen Besatzern im Jahre 1806 herhalten, was besonders lächerlich wirkt, da die Bilder von keinerlei Bemühung um jahreszahlenmäßige Authentizität zeugen. Diese Schludrigkeit hat zudem den Nachteil, daß eine grundsätzliche Distanz zwischen vertrauter Wirklichkeit und befremdlichen Visionen im Ansatz erstickt wird.
Daß der Film ohne Sinn und Verstand gemacht ist, war beinahe zu erwarten, denn die erzählerische Ökonomie, die viele Märchen so wirkungsvoll macht, war Gilliams Sache nie; daß er zudem jeden Sinn für Stil vermissen läßt und seine Einfälle dermaßen wahllos über die Geschichte streut, hat mich doch überrascht. Gilliam hält sich einiges darauf zugute, so viele Märchenmotive wie möglich in seinen »Brothers Grimm« untergebracht zu haben – ich finde das ungefähr so verdienstvoll wie den Versuch, so viele Farben wie möglich auf eine Leinwand zu klecksen. Und das Fehlen wirklich komischer Momente kann diese eklektische Methode auch nicht bemänteln.
Das bestätigt meinen Anfangsverdacht – kein Wunder, wenn man selbst den Beweis führt – : Eine Regie findet bei Gilliam nicht statt, und komisch wirkten seine grotesken Pausenfüller eigentlich nur im Rahmen der Monty-Python-Truppe, von deren Renommee er bis jetzt gezehrt hat. Bei mir ist der Vertrauensbonus aufgebraucht – anders als bei den meisten deutschen Filmkritikern, die mit »Brothers Grimm« so zart umgegangen sind, daß ich hier etwas härtere Töne für angebracht halte.
Daß Terry Gilliam das Geld, das er für sein Schundmärchen verpulvert hat (angeblich achtzig Millionen Dollar) von Miramax (und damit von Chefspekulant Harvey Weinstein) bekommen hat, ist der erfreulichste Aspekt dieser Produktion. Etwas Netteres ist dazu nicht zu sagen.
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