Inhalt der Printausgabe

September 2004


Deutschland, deine Mehrzweckhallen:
Schlager, Sänger und Skandale

(Seite 3 von 5)

 
Die Angst des Roadies vorm Auf- und gleich wieder Abbauen


Lippstadt, Schützenhalle
Nach diesem schönen Teilerfolg ist Konzert Nummer drei eine herbe Enttäuschung. Die Schützenhalle in Lippstadt bietet einen erschreckenden Anblick: Nicht nur, daß wir selbst mit größter Mühe die riesigen, urigen Wappen des "Schützenvereins Lippstadt" an der Bühnenwand nicht ganz verdecken können, auch die angereisten 15 Fans verlassen lethargisch ihre Plätze und werden von den Security-Leuten zum Ausgang geleitet: Die Veranstaltung wird abgeblasen! Als Stargast folglich nicht zu sehen: Frank Zander. Seine Frau klagt verärgert: "Jetzt muß ich den Frank wieder drei Wochen lang aufrichten. So was macht den doch jedesmal total fertig!" Auch ich bin enttäuscht, schließlich werden Zanders Auftritte mit dem Intro der AC/DC-Hymne "Thunderstruck" präludiert, wobei statt des Schlachtrufes "Thunder" ein schneidiges "Zander" aus den Boxen fährt. So baue ich heute halt mal ohne Pause eine komplette Bühnenkonstruktion auf und gleich wieder ab, während neben mir ein Musiker von QW flucht: "Ich hätte auch vor 15 Leuten gespielt, wir müssen uns schließlich erst noch hochspielen!"
 


Iserlohn, Parkhalle
Die Lage vor dem Gastspiel in Iserlohn ist angespannt: Wird Dschungelkönig Costa Cordalis für mehr Publikumszuspruch sorgen? Und wie! Tatsächlich sind knapp 120 Zahlende vor Ort, Rekord! QW eröffnet den Abend entsprechend euphorisch und angemessen ironiefrei: "Schön, daß es heute abend so viele geworden sind. Ich schreibe übrigens alle meine Texte selber!" Applaus und Startschuß: "Ich war so blind so unendlich dumm / jetzt steh ich hier und frag warum / so abgebrüht das kann doch nicht sein / lauf gegen ne Wand bin ganz allein / bitte glaube mir, ich gebe nicht auf / denn auch ich stehe wieder auf / und dann wirst du sehn, es wird weitergehn / und auch ohne dich wird mein Leben schön" - nur gut, jenseits von Ikonen wie Hartmut Engler wieder begabte Texter im Lande zu haben, die sich nicht allen Paarreim lang in komplizierten Metaphern und surrealen Analogien versteigen.
Ein paar Rockschlagersongs und ein "Jeder kann sich noch ein Autogramm holen!" später folgt die Übergabe an Olaf Berger: "Freunde! Neulich rief mich ein guter alter Freund und Kollege, der Dieter Thomas Heck, an und meinte: Du, Olaf, ich hab mir da was für dich überlegt, nimm doch bitte unbedingt den Klassiker von Toni Holiday in einer neuen Version auf…" Kein Wunder, daß backstage Stargast Costa Cordalis schon bei den ersten Tönen nicht mehr zu halten ist, auf mich zusteuert und zu tanzen beginnt. Ich tanze einfach mit, strahle Costa bekloppt an und klatsche zusammen mit ihm in die Hände, bis der Grieche die Tourmanagerin erblickt, für attraktiver befindet und gestenreich um ein Tänzchen bittet. Auch auf der Bühne glänzt der Dschungelkönig: Die ersten beiden Zeilen von "Anita" singt er noch acapella, dann helfen die Fanbasis und wenig später ein Playback mit liebevoll produziertem Eurodisco-Autoscooter-sound großzügig mit. Auf "Anita" folgen drei RTL-Dschungelsongs, die sich nur marginal voneinander unterscheiden, und als Zugabe werden "Anita" und ein Dschungelsong wiederholt. Ein komprimiertes Programm, welches einen hervorragenden Querschnitt durch rund 30 Jahre Costa Cordalis bietet.
 
Highnoon in Iserlohn:
Grabesstimmung einmal anders



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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Ciao, Luisa Neubauer!

»Massendemonstrationen sind kein Pizza-Lieferant«, lasen wir in Ihrem Gastartikel auf Zeit online. »Man wird nicht einmal laut und bekommt alles, was man will.«

Was bei uns massenhaft Fragen aufwirft. Etwa die, wie Sie eigentlich Pizza bestellen. Oder was Sie von einem Pizzalieferanten noch »alles« wollen außer – nun ja – Pizza. Ganz zu schweigen von der Frage, wer in Ihrem Bild denn nun eigentlich etwas bestellt und wer etwas liefert bzw. eben gerade nicht. Sicher, in der Masse kann man schon mal den Überblick verlieren. Aber kann es sein, dass Ihre Aussage einfach mindestens vierfacher Käse ist?

Fragt hungrig: Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

 Boah ey, Natur!

»Mit der Anpflanzung von Bäumen im großen Stil soll das Klima geschützt werden«, schreibt der Spiegel. »Jetzt zeigen drei Wissenschaftlerinnen in einer Studie: Die Projekte können unter Umständen mehr schaden als nützen.« Konkret sei das Ökosystem Savanne von der Aufforstung bedroht. Mal ganz unverblümt gefragt: Kann es sein, liebe Natur, dass man es Dir einfach nicht recht machen kann? Wir Menschen bemühen uns hier wirklich um Dich, Du Diva, und am Ende ist es doch wieder falsch!

Wird mit Dir einfach nicht grün: Titanic

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Anpfiff, Max Eberl!

Sie sind seit Anfang März neuer Sportvorstand des FC Bayern München und treten als solcher in die Fußstapfen heikler Personen wie Matthias Sammer. Bei der Pressekonferenz zu Ihrer Vorstellung bekundeten Sie, dass Sie sich vor allem auf die Vertragsgespräche mit den Spielern freuten, aber auch einfach darauf, »die Jungs kennenzulernen«, »Denn genau das ist Fußball. Fußball ist Kommunikation miteinander, ist ein Stück weit, das hört sich jetzt vielleicht pathetisch an, aber es ist Liebe miteinander! Wir müssen alle was gemeinsam aufbauen, wo wir alle in diesem gleichen Boot sitzen.«

Und dieser schräge Liebesschwur, Herr Eberl, hat uns sogleich ungemein beruhigt und für Sie eingenommen, denn wer derart selbstverständlich heucheln, lügen und die Metaphern verdrehen kann, dass sich die Torpfosten biegen, ist im Vorstand der Bayern genau richtig.

Von Anfang an verliebt für immer: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Nichts aufm Kerbholz

Dass »jemanden Lügen strafen« eine doch sehr antiquierte Redewendung ist, wurde mir spätestens bewusst, als mir die Suchmaschine mitteilte, dass »lügen grundsätzlich nicht strafbar« sei.

Ronnie Zumbühl

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

 Pendlerpauschale

Meine Fahrt zur Arbeit führt mich täglich an der Frankfurt School of Finance & Management vorbei. Dass ich letztens einen Studenten beim Aussteigen an der dortigen Bushaltestelle mit Blick auf sein I-Phone laut habe fluchen hören: »Scheiße, nur noch 9 Prozent!« hat mich nachdenklich gemacht. Vielleicht wäre meine eigene Zinsstrategie selbst bei angehenden Investmentbankern besser aufgehoben.

Daniel Sibbe

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg