Inhalt der Printausgabe
November 2004
Briefe an die Leser (Seite 10 von 14) |
Soso, Rafael Seligmann! "In den letzten Jahrzehnten", so teilen Sie uns im Quatschmagazin Cicero mit, "ist wenig Erhellendes über das Wahnsinns-Verhältnis der Deutschen zu ihrem einstigen Führer verfaßt worden. Gewiß haben Joachim Fest und später Ian Kershaw Hitler auf Tausenden von Seiten mit zehntausend Fußnoten bis ins Detail ausgelotet. Sie sind unter der Materialfülle schier erstickt", weswegen jetzt Sie eine, Sachen gibt's, "innovative Hitler-Biografie" (Klappentext) namens "Hitler. Die Deutschen und ihr Führer" rausgetan haben; die, weil man beim Ausloten mit Fußnoten so leicht vom Erhellen abkommt, gleich ganz auf die gefährlichen Dinger verzichtet. Schließlich ist, wie Sie zum in der derselben Ausgabe abgedruckten Essay "Bruder Hitler" von Thomas Mann anmerken, "Geschichte, aus der wir für die Gegenwart lernen sollten, … viel zu wichtig, um sie Historikern zu überlassen. Dazu bedarf es eines unabhängigen Geistes wie Thomas Mann. Der Dichter gab sich nicht damit zufrieden, den NS-Politiker zu ignorieren wie zuvor der vermessene austrische Zeitkritiker Karl Kraus, dem am Ende zu Hitler nichts einfallen wollte." Der Tommy konnte, wenn er wollte, und bei "Bruder Hitler" wollte er, da haben Sie schon recht. Aber was den austrischen Karl Kraus angeht, sollte sich doch langsam auch unter innovativen Zeithistorikern herumgesprochen haben, daß mit seinem bekannten Satz "Mir fällt zu Hitler nichts ein" kein Schweigen, sondern im Gegenteil die "Dritte Walpurgisnacht" beginnt, fünf Jahre vor Manns Essay geschrieben und mit 380 Seiten nicht nur ungleich dicker als der "Bruder", sondern sogar fast länger als Ihr, Seligmann, Populärschinken. Der damit, folgte man Ihnen, kaum mehr als nichts wäre. Bzw. eben ist, gell? Seligmann sind die geistig Armen! Titanic
|
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8 | 9 | 10 | 11 | 12 | 13 | 14 |