Inhalt der Printausgabe

Mai 2004


Briefe an die Leser
(Seite 9 von 12)

Wolfram Weimer!
Sie sind "Gründer und Chefredakteur" des neuen "Magazins für politische Kultur", das Cicero heißt und der womöglich 30ste Anlauf ist, hierzulande so etwas wie den New Yorker zu etablieren. Gelesen haben wir die von Ihnen verantworteten Hochglanzseiten nicht, keine Lust und so, Sie verstehen, aber einmal eben dann doch, und zwar am Schluß, wo, formal mutig, Ihr Editorial steht und Sie unter dem Lust auf Feierabend machenden Titel "Gibt es ein Jenseits der Ironie?" etwas sehr Rätselhaftes geschrieben haben: "Wenn nun aber zutiefst ironische Gesellschaften plötzlich konfrontiert werden mit quicklebendigen und völlig ernsten Konkurrenten? Der missionarischen Ambition des amerikanischen Imperiums oder dem kulturellen Tiefgang Osteuropas. Dem wirtschaftlichen Ehrgeiz der asiatischen Aufsteiger, oder gar dem religiösen Furor der islamischen Welt. Was dann? Man wäre einen zögernden Moment der Geschichte arrogant. Das können Ironiker wirklich gut. Es", und jetzt kommt's, "hülfe aber nicht. Denn der Ernst habe seine eigene Logik. Er bekehre, er baue, er bombe. Wenn alle anderen plötzlich sehr ernst wären, greife die Mechanik des Ironischen ins Leere. Vor allem aber verlöre man mit Rentenversicherungsnachhaltigkeitsgesetzen jeden Wettbewerb der Kulturen. Gegen den Nominalismus der anderen geriete die überreife Kultur der Ironie ins Wanken."
Und das, Gründer und Chefredakteur Wolfram Weimer, verstehen wir nicht. Wir haben es versucht, es hat nicht funktioniert. Probieren wir's noch mal: "Denn der Ernst habe seine eigene Logik. Er bekehre, er baue, er bombe" - sagt wer? Denn das ist doch ein Konjunktiv der indirekten Rede. Die Ironiker vielleicht? Aber warum sollten die das sagen? Da wär'n sie ja bekloppt! Oder ist das, andersrum, vielleicht ein Wunschkonjunktiv: "Der Ernst soll seine eigene Logik haben. Er möge bekehren, bauen, bomben" - aber warum sollten jetzt Sie das sagen? Wie ein Islamist sehen Sie nicht aus. Oder ist es nicht drittens und am wahrscheinlichsten so, daß Sie überhaupt einen Konjunktiv II, einen Potentialis meinten: "Der Ernst hätte seine eigene Logik. Er bekehrte, er baute, er bombte. Wenn alle plötzlich sehr ernst wären, griffe die Mechanik des Ironischen ins Leere"? Und sich, um mal den Bildungsbürger raushängen zu lassen, nach dem salonhaften "hülfe" noch ein paar andere schicke Möglichkeitskonjunktive ohne das proletenhafte "würde" abgerungen haben, nur eben leider, haha: die falschen? "Wenn meine Oma vier Räder habe, sei sie ein Omnibus?" Und hölfe am Ende vielleicht ein Deutschkursus - oder bringe das gar nichts?
Wäre da sicher: Titanic


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Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Dear Weltgeist,

das hast Du hübsch und humorvoll eingerichtet, wie Du an der Uni Jena Deiner dortigen Erfindung gedenkst! Und auch des Verhältnisses von Herr und Knecht, über das Hegel ebenfalls ungefähr zur Zeit Deiner Entstehung sinnierte. Denn was machst Du um die 200 Jahre später, lieber Weltgeist? Richtest an Deiner Alma Mater ein Master-Service-Zentrum ein. Coole Socke!

Meisterhafte Grüße von Deiner Titanic

 Persönlich, Ex-Bundespräsident Joachim Gauck,

nehmen Sie inzwischen offenbar alles. Über den russischen Präsidenten sagten Sie im Spiegel: »Putin war in den Achtzigerjahren die Stütze meiner Unterdrücker.« Meinen Sie, dass der Ex-KGBler Putin und die DDR es wirklich allein auf Sie abgesehen hatten, exklusiv? In dem Gespräch betonten Sie weiter, dass Sie »diesen Typus« Putin »lesen« könnten: »Ich kann deren Herrschaftstechnik nachts auswendig aufsagen«.

Allerdings hielten Sie sich bei dessen Antrittsbesuch im Schloss Bellevue dann »natürlich« doch an die »diplomatischen Gepflogenheiten«, hätten ihm aber »schon zu verstehen gegeben, was ich von ihm halte«. Das hat Putin wahrscheinlich sehr erschreckt. So richtig Wirkung entfaltet hat es aber nicht, wenn wir das richtig lesen können. Wie wär’s also, Gauck, wenn Sie es jetzt noch mal versuchen würden? Lassen Sie andere Rentner/innen mit dem Spiegel reden, schauen Sie persönlich in Moskau vorbei und quatschen Sie Putin total undiplomatisch unter seinen langen Tisch.

Würden als Dank auf die Gepflogenheit verzichten, Ihr Gerede zu kommentieren:

die Diplomat/innen von der Titanic

 Genau einen Tag, Husqvarna Group (Stockholm),

nachdem das ungarische Parlament dem Nato-Beitritt Schwedens zugestimmt hatte, mussten wir was auf heise.de lesen? Dass auf Deinen Rasenmähern der »Forest & Garden Division« nach einem Software-Update nun der alte Egoshooter »Doom« gespielt werden kann!

Anders gesagt: Deine Divisionen marodieren ab sofort nicht nur lautstark mit Rasenmähern, Traktoren, Motorsägen, Motorsensen, Trennschleifern, Rasentrimmern, Laubbläsern und Vertikutierern durch unsere Gärten, sondern zusätzlich mit Sturmgewehren, Raketenwerfern und Granaten.

Falls das eine Demonstration der Stärke des neuen Bündnispartners sein soll, na schön. Aber bitte liefere schnell ein weiteres Software-Update mit einer funktionierenden Freund-Feind-Erkennung nach!

Hisst die weiße Fahne: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kapitaler Kalauer

Da man mit billigen Wortspielen ja nicht geizen soll, möchte ich hier an ein großes deutsches Geldinstitut erinnern, das exakt von 1830 bis 1848 existierte: die Vormärzbank.

Andreas Maier

 Tiefenpsychologischer Trick

Wenn man bei einem psychologischen Test ein Bild voller Tintenkleckse gezeigt bekommt, und dann die Frage »Was sehen Sie hier?« gestellt wird und man antwortet »einen Rorschachtest«, dann, und nur dann darf man Psychoanalytiker werden.

Jürgen Miedl

 Wenn beim Delegieren

schon wieder was schiefgeht, bin ich mit meinen Lakaien am Ende.

Fabio Kühnemuth

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Parabel

Gib einem Mann einen Fisch, und du gibst ihm zu essen für einen Tag. Zeig ihm außerdem, wie man die Gräten entfernt, und er wird auch den folgenden Morgen erleben.

Wieland Schwanebeck

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt
08.04.2024 Oldenburg, Theater Laboratorium Bernd Eilert mit Klaus Modick