Inhalt der Printausgabe

Mai 2004


Humorkritik
(Seite 2 von 8)

Blühender Unsinn

Nachdem der gebürtige Dresdner und FAZ-Autor Peter Richter im ersten Fünftel seines vielgelobten Ost-West-Buches "Blühende Landschaften. Eine Heimatkunde" (Goldmann) in schönem, inspiriert ironischem Plauderton und stellenweise lustig über die Spätzeit seiner DDR-Jugend und die Wende berichtet hatte, waren ihm der billige (und aber natürlich in jeder Rezension begeistert zitierte) Start-Ausfall gegen die "westdeutschen Dachgeschoßdeppen von Ostberlin", die "Austern schlürfend über die Straße rennen", wie auch die kokett explizit gemachte Vorliebe für die Nazi-Trottelband "Böhse Onkelz" schon nachgesehen, wollte ich gerade, ein paar Dutzend Seiten weiter, die Stelle mit den Hamburger WG-Schwätzern, bei aller Überlebtheit des Themas, für gelungen, weil eben doch wahr, halten ("...daß sie ohnehin in ein paar Jahren, wenn sie sich allmählich selbst auf die Nerven gegangen sind mit ihren dünnlippigen Agitationen, ihre St.-Pauli-Jacken gegen enge Anzüge tauschen und als Redakteure beim NDR oder beim Spiegel oder sonstwo viel Geld verdienen werden mit zynischen Rückblicken in eine Welt, die sie niemals wirklich verändern wollten. … Das alles schrie ich ihnen entgegen, oder hätte es zumindest gern getan, jedenfalls dachte ich es sehr leidenschaftlich, als ich wütend davontrottete"), war also, bei aller Kritik im einzelnen, beinah schon zufrieden, bis - es plötzlich um Barbourjacken ging. Um schicke Leute, die in Hamburg Barbourjacken tragen, sich Küßchen geben und "Naaaaa?" sagen; um den angeblich ostdeutschen Händedruck, der bei westdeutschen Barbourjackenträgern angeblich uncool ist; um die Uncoolness von Leuten, die zum Abi ein Auto geschenkt bekommen und darin ihre Barbourjacke spazieren fahren; um reiche Arschlöcher mit Mittelscheitel in Frankfurt und reiche Arschlöcher in München mit Pomadenfrisur; um die Albernheit, statt "Nike" "Nikeee" zu sagen; usw.
Tja. Und schon waren wir, nach hoffnungsvollem Start, in den Niederungen radikaler Latte-Macchiato-Kritik angelangt, mit der man, so hatte ich naiv gedacht, zehn Jahre nach Stuckr.-Barre kein Studenten-Fondue mehr unterhalten kann; höchstens noch das Feuilleton. Und das hat ja auch funktioniert.


   1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 | 7 | 8   


Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Hallo, faz.net!

»Seit dem Rückzug von Manfred Lamy«, behauptest Du, »zeigt der Trend bei dem Unternehmen aus Heidelberg nach unten. Jetzt verkaufen seine Kinder die Traditionsmarke für Füller und andere Schreibutensilien.« Aber, faz.net: Haben die Lamy-Kinder nicht gerade davon schon mehr als genug?

Schreibt dazu lieber nichts mehr: Titanic

 Waidmannsheil, »Spiegel«!

»Europas verzweifelte Jagd nach Munition«, titeltest Du, und doch könnte es deutlich schlimmer sein. Jagd auf Munition – das wäre, so ganz ohne diese Munition, deutlich schwieriger!

Nimmt Dich gerne aufs Korn: Titanic

 Eine Frage, Miriam Meckel …

Im Spiegel-Interview sprechen Sie über mögliche Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt. Auf die Frage, ob die Leute in Zukunft noch ihr Leben lang im gleichen Beruf arbeiten werden, antworten Sie: »Das ist ja heute schon eher die Ausnahme. Ich zum Beispiel habe als Journalistin angefangen. Jetzt bin ich Professorin und Unternehmerin. Ich finde das toll, ich liebe die Abwechslung.« Ja, manchmal braucht es einfach einen beruflichen Tapetenwechsel, zum Beispiel vom Journalismus in den Fachbereich Professorin! Aber gibt es auch Berufe, die trotz KI Bestand haben werden? »Klempner zum Beispiel. Es gibt bislang keinen Roboter mit noch so ausgefeilter KI auf der Welt, der Klos reparieren kann.«

Das mag sein, Meckel. Aber was, wenn die Klempner/innen irgendwann keine Lust mehr auf den Handwerkeralltag haben und flugs eine Umschulung zum Professor machen? Wer repariert dann die Klos? Sie?

Bittet jetzt schon mal um einen Termin: Titanic

 Und übrigens, Weltgeist …

Adam Driver in der Rolle des Enzo Ferrari – das ist mal wieder großes Kino!

Grazie mille von Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Kehrwoche kompakt

Beim Frühjahrsputz verfahre ich gemäß dem Motto »quick and dirty«.

Michael Höfler

 Teigiger Selfcaretipp

Wenn du etwas wirklich liebst, lass es gehen. Zum Beispiel dich selbst.

Sebastian Maschuw

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Treffer, versenkt

Neulich Jugendliche in der U-Bahn belauscht, Diskussion und gegenseitiges Überbieten in der Frage, wer von ihnen einen gemeinsamen Kumpel am längsten kennt, Siegerin: etwa 15jähriges Mädchen, Zitat: »Ey, ich kenn den schon, seit ich mir in die Hosen scheiße!«

Julia Mateus

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

Titanic unterwegs
25.04.2024 Köln, Comedia Max Goldt
27.04.2024 Schwerin, Zenit Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
28.04.2024 Lübeck, Kolosseum Martin Sonneborn mit Sibylle Berg
29.04.2024 Berlin, Berliner Ensemble Martin Sonneborn mit Sibylle Berg