Inhalt der Printausgabe

Juni 2004


TITANIC Telefon-Terror
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Achtung: Dieser Artikel beschädigt die Würde des Amtes des Bundespräsidenten!

Wie TITANIC den deutschen Frauen einmal einen ausgeben wollte*...

* einen weiblichen Bundespräsidenten

Wenn Sie diese Zeilen lesen, hat Deutschland einen neuen Bundespräsidenten. Das ist gut so, denn der alte war ja schon länger kaputt obenrum. Warum es aber wohl keine Bundespräsidentin geworden ist, erfahren Sie durch die folgenden Hintergrundtelefonate mit wahlberechtigten Bundestagsabgeordneten vom 13. Mai...

Ursula Heinen, CDU

"Voll im Sinne
meiner Partei!"
TITANIC Schopmann, ich bin der Büroleiter von SPD-Generalsekretär Benneter, guten Tag.
Heinen Guten Tag.
TITANIC Frau Heinen, ich möchte erst einmal sagen, dies ist ein inoffi-zielles Gespräch, das ich bitte vertraulich zu behandeln. Wäre das möglich?
Heinen (überrascht) Ja, natürlich.
TITANIC Es geht um die Bundespräsidentenwahl. Ich wollte fragen, ob Sie eher im Sinne Ihrer Partei oder als Frau entscheiden werden?
Heinen Voll im Sinne meiner Partei! Das ist völlig klar!

Ute Granold, CDU

"Ich habe von der
Kandidatur von
Dr. Köhler gehört!"
TITANIC ...ob Sie sich schon Gedanken gemacht haben und wie Ihre Entschlußbildung aussieht.
Granold (überrascht) Also, ich bin ja doch überrascht! Gehen Sie mal davon aus, daß ich kein Stimmvieh bin. Daß ich mich sehr eingehend mit beiden Kandidaten auseinandergesetzt habe, ich habe mich umfassend informiert und denke schon, daß ich dann bei einer Abwägung zu einem Ergebnis komme, das ich für mich und auch für die, die Vertrauen in mich setzen, so, äh, mittragen kann.
TITANIC Und Sie denken auch daran, daß die Wahl von Frau Schwan der Demokratie einen enormen Vertrauensschub geben könnte?
Granold Ich hab alle Argumente für mich selbst behandelt und hab 'ne Abwägung getroffen und werde dann meine Wahl am nächsten Sonntag treffen.
TITANIC (mitfühlend) Und wie denken Sie als Frau über die Rolle einer Bundespräsidentin?
Granold Ich finde, das hat einen faden Beigeschmack, jetzt mit dem Argument Frau zu kommen. Sie hätten ja 1999 ein Zeichen setzen können, die Frau Schipanski ist eine gute Frau!
TITANIC Aber soll denn das jetzt ewig so weitergehen? Erst wir, dann Sie, dann wir...
Granold Nee, ich find's insgesamt schade, ich hab auch schon im Landtag einige Frauenbündnisse über die Fraktion hinweg geschlossen, weil's uns um die Sache ging! Gehen Sie mal davon aus, daß ich mich sehr engagiert damit beschäftige.
TITANIC Und daß Sie in erster Linie auch und gerade als Frau wählen?
Granold Also ich wähle als Bürger, als Mensch, als Frau, als Jurist, als CDU-Mitglied, als was auch immer. Ich hab das alles zusammen bildlich auf ein Blatt Papier geschrieben und dann meine Entscheidung getroffen, nachdem ich mir beide Kandidaten angeschaut hab. Nicht nur als Frau, nicht nur als Jurist, nicht nur als Bürger oder MdB, sondern alles zusammen gab es dann eine Entscheidung. So! Und die vollziehe ich nächsten Sonntag.
TITANIC (investigativ) Ja, klar. Aber wählen Sie jetzt eher als Abgeordnete Ihrer Partei oder als Frau diesmal?
Granold (störrisch) Ich bin in der Bundesversammlung als MdB und ich wähle in meiner Eigenschaft als alles zusammen! Ich hab's grad schon mal gesagt!
TITANIC Und was soll ich jetzt vermelden?
Granold (irritiert) Wem vermelden Sie was?
TITANIC Herrn Benneter.
Granold Ihrem Chef? Daß ich meine Entscheidung getroffen hab, mich informiert hab und alle Aspekte berücksichtigt hab. Ich habe von der Kandidatur von Dr. Köhler gehört, ich habe dann zeitgleich gehört, wie der Vorschlag von Rot-Grün ist, ich habe dann die Presse verfolgt und mich über jede Person informiert. Meine Entscheidung steht fest!
TITANIC Aber wir wissen doch, wie das bei Ihnen läuft...
Granold (patzig) Wahrscheinlich so wie bei Ihnen! Aber ich fühle mich nicht geknebelt oder unter Vormundschaft gestellt. Es geht jetzt um das Amt des Bundesprä...
TITANIC Und um die Sache der Frau!
Granold Wir haben ein gutes Beispiel gezeigt, als wir als eine große Volkspartei eine Frau aus dem Osten als unsere Chefin haben. Mehr kann man nicht dokumentieren, daß wir für Frauen weiß Gott offen sind!


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Aktuelle Startcartoons

Heftrubriken

Briefe an die Leser

 Wieso so eilig, Achim Frenz?

Wieso so eilig, Achim Frenz?

Kaum hast Du das Zepter im Kampf um die Weltherrschaft der Komischen Kunst auf Erden in jüngere Hände gelegt, da schwingst Du Dich nach so kurzer Zeit schon wieder auf, um in den höchsten Sphären für Deine Caricatura zu streiten.

Mögest Du Dir auch im Jenseits Dein beharrliches Herausgeber-Grummeln bewahren, wünscht Dir zum Abschied Deine Titanic

 Also wirklich, »Spiegel«!

Bei kleinen Rechtschreibfehlern drücken wir ja ein Auge zu, aber wenn Du schreibst: »Der selbst ernannte Anarchokapitalist Javier Milei übt eine seltsame Faszination auf deutsche Liberale aus. Dabei macht der Rechtspopulist keinen Hehl daraus, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, obwohl es korrekt heißen müsste: »Weil der Rechtspopulist keinen Hehl daraus macht, dass er sich mit der Demokratie nur arrangiert«, müssen wir es doch anmerken.

Fasziniert von so viel Naivität gegenüber deutschen Liberalen zeigt sich

Deine Titanic

 Vielleicht, Ministerpräsident Markus Söder,

sollten Sie noch einmal gründlich über Ihren Plan nachdenken, eine Magnetschwebebahn in Nürnberg zu bauen.

Sie und wir wissen, dass niemand dieses vermeintliche High-Tech-Wunder zwischen Messe und Krankenhaus braucht. Außer eben Ihre Spezln bei der Baufirma, die das Ding entwickelt und Ihnen schmackhaft gemacht haben, auf dass wieder einmal Millionen an Steuergeld in den privaten Taschen der CSU-Kamarilla verschwinden.

Ihr Argument für das Projekt lautet: »Was in China läuft, kann bei uns nicht verkehrt sein, was die Infrastruktur betrifft.« Aber, Söder, sind Sie sicher, dass Sie wollen, dass es in Deutschland wie in China läuft? Sie wissen schon, dass es dort mal passieren kann, dass Politiker/innen, denen Korruption vorgeworfen wird, plötzlich aus der Öffentlichkeit verschwinden?

Gibt zu bedenken: Titanic

 Wow, Instagram-Kanal der »ZDF«-Mediathek!

In Deinem gepfefferten Beitrag »5 spicy Fakten über Kim Kardashian« erfahren wir zum Beispiel: »Die 43-Jährige verdient Schätzungen zufolge: Pro Tag über 190 300 US-Dollar« oder »Die 40-Jährige trinkt kaum Alkohol und nimmt keine Drogen«.

Weitergelesen haben wir dann nicht mehr, da wir uns die restlichen Beiträge selbst ausmalen wollten: »Die 35-Jährige wohnt nicht zur Miete, sondern besitzt ein Eigenheim«, »Die 20-Jährige verzichtet bewusst auf Gluten, Laktose und Pfälzer Saumagen« und »Die 3-Jährige nimmt Schätzungen zufolge gerne das Hollandrad, um von der Gartenterrasse zum Poolhaus zu gelangen«.

Stimmt so?

Fragen Dich Deine Low-Society-Reporter/innen von Titanic

 Apropos: ¡Hola bzw. holla, spanischer Priester!

Du hast Dir die Worte aus dem Matthäusevangelium »Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach« zu sehr zu Herzen genommen und in Deiner Gemeinde in der Kleinstadt Don Benito einen regen Handel mit Potenzmitteln betrieben. Für diesen nach weltlichem Ermessen offensichtlichen Sündenfall musst Du Dich nun vor einem irdischen Gericht verantworten.

Uns ist zwar nicht bekannt, ob Du Dich gegenüber Polizei und Justiz bereits bußfertig gegeben hast oder weiterhin auf das Beichtgeheimnis berufst. Angesichts der laut Zeugenaussagen freudigen Erregung Deiner überalterten Gemeindemitglieder beim Geläut der Glocken sowie ihres Durchhaltevermögens bei den nicht enden wollenden Eucharistiefeiern inklusive Rumgeorgel, Stoßgebeten und orgiastischer Gottesanrufungen sprechen alle Indizien aber ohnehin gegen Dich!

Bleibt auch ganz ohne künstliche Stimulanzien weiter standfest im Nichtglauben: Titanic

Vom Fachmann für Kenner

 Die Touri-Falle

Beim Schlendern durchs Kölner Zentrum entdeckte ich neulich an einem Drehständer den offenbar letzten Schrei in rheinischen Souvenirläden: schwarzweiße Frühstücks-Platzmatten mit laminierten Fotos der nach zahllosen Luftangriffen in Schutt und Asche liegenden Domstadt. Auch mein Hirn wurde augenblicklich mit Fragen bombardiert. Wer ist bitte schön so morbid, dass er sich vom Anblick in den Fluss kollabierter Brücken, qualmender Kirchenruinen und pulverisierter Wohnviertel einen morgendlichen Frischekick erhofft? Wer will 365 Mal im Jahr bei Caffè Latte und Croissants an die Schrecken des Zweiten Weltkriegs erinnert werden und nimmt die abwischbaren Zeitzeugen dafür sogar noch mit in den Urlaub? Um die Bahn nicht zu verpassen, sah ich mich genötigt, die Grübelei zu verschieben, und ließ mir kurzerhand alle zehn Motive zum Vorteilspreis von nur 300 Euro einpacken. Seitdem starre ich jeden Tag wie gebannt auf das dem Erdboden gleichgemachte Köln, während ich mein Müsli in mich hineinschaufle und dabei das unheimliche Gefühl nicht loswerde, ich würde krachend auf Trümmern herumkauen. Das Rätsel um die Zielgruppe bleibt indes weiter ungelöst. Auf die Frage »Welcher dämliche Idiot kauft sich so eine Scheiße?« habe ich nämlich immer noch keine Antwort gefunden.

Patric Hemgesberg

 Einmal und nie wieder

Kugelfisch wurde falsch zubereitet. Das war definitiv meine letzte Bestellung.

Fabian Lichter

 Man spürt das

Zum ersten Mal in meinem Leben war ich in New York. Was soll ich sagen: Da war sofort dieses Gefühl, als ich zum ersten Mal die 5th Avenue hinunterflanierte! Entweder man spürt das in New York oder man spürt es eben nicht. Bei mir war sie gleich da, die Gewissheit, dass diese Stadt einfach null Charme hat. Da kann ich genauso gut zu Hause in Frankfurt-Höchst bleiben.

Leo Riegel

 Frühlingsgefühle

Wenn am Himmel Vögel flattern,
wenn in Parks Familien schnattern,
wenn Paare sich mit Zunge küssen,
weil sie das im Frühling müssen,
wenn überall Narzissen blühen,
selbst Zyniker vor Frohsinn glühen,
Schwalben »Coco Jamboo« singen
und Senioren Seilchen springen,
sehne ich mich derbst
nach Herbst.

Ella Carina Werner

 Neulich

erwartete ich in der Zeit unter dem Titel »Glückwunsch, Braunlage!« eigentlich eine Ode auf den beschaulichen Luftkurort im Oberharz. Die kam aber nicht. Kein Wunder, wenn die Überschrift des Artikels eigentlich »Glückwunsch, Braunalge!« lautet!

Axel Schwacke

Vermischtes

Erweitern

Das schreiben die anderen

  • 27.03.:

    Bernd Eilert denkt in der FAZ über Satire gestern und heute nach.

Titanic unterwegs
28.03.2024 Nürnberg, Tafelhalle Max Goldt
31.03.2024 Göttingen, Rathaus Greser & Lenz: »Evolution? Karikaturen …«
04.04.2024 Bremen, Buchladen Ostertor Miriam Wurster
06.04.2024 Lübeck, Kammerspiele Max Goldt