Inhalt der Printausgabe
Juni 2004
Humorkritik (Seite 2 von 8) |
Schultze got the blues |
Ich wußte schon, was mich in Michael Schorrs Film "Schultze gets the blues" erwarten würde: ellenlange Einstellungen, eine felsenfest aufs Stativ geschraubte Kamera, kuhträge, maulfaule, bedingungslos authentische Figuren, die immer wie angewurzelt unter einem wolkenverhangenen Provinzhimmel herumstehen und Bier trinken, normal in ihrer Kauzigkeit und kauzig in ihrer Normalität; ein aus jedem Bild quellender konstitutiver Minimalismus, allen Aufgeregtheiten des Kunst- wie des Hollywoodkinos ostentativ und treudeutsch trotzend, gegenschnittsfrei, müde und alleweil dick tragikomisch; und also, alles in allem, ein bestenfalls unüberraschendes, vielleicht sogar affektiertes, absichtsvoll auf links gedrehtes Heimatkino, dessen formaler Dreh so simpel ist wie die Figuren, die es bevölkern. Überraschend, andererseits, daß es mich fast nicht gestört hat. Der ganze Film ist unübersehbar eine einzige Pose, aber eine schöne, und der fabelhafte Horst Krause als einsamer kranker Frührentner und tumber Tor Schultze, der sich noch einmal ins Traumland aufmacht, von dem er gerade noch rechtzeitig erfährt, daß es überhaupt existiert, ist so anrührend und wahr, daß ich über die simple Kalkuliertheit seiner Figur gerne hinweggesehen habe. Daß M. Schorr dafür in Venedig oder wo einen Regiepreis abgekriegt hat, ist natürlich albern; aber den warmen Händedruck von mir hat er allemal verdient. |
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